Angesichts des Siegs der Opposition bei den Parlamentswahlen im Dezember 2015 und der fortschreitenden Wirtschaftskrise ist die weitere politische Entwicklung in Venezuela ungewiss. Ungewiss ist ebenso, was von den partizipativen Strukturen auf kommunaler Ebene, die in der Ära Chávez aufgebaut wurden, Bestand haben wird.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der bolivarianischen Revolution besteht ohne Zweifel darin, das Konzept der partizipatorischen Demokratie weiterentwickelt zu haben, was die Diskussion der Linken weit über die eigenen Landesgrenzen beflügelt und ihren politischen Horizont erweitert hat. So ist es gelungen, die venezolanische Bevölkerung über verschiedene Mechanismen und Institutionen an zentralen Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Als die maßgeblichen zu nennen sind die Sozialprogramme der Regierung (Misiones), die Runden Tische zu Problemen der Infrastruktur (Mesas Técnicas), die städtischen Landkomitees (Comités de Tierra Urbana), die kommunalen Räte (Consejos Comunales) und deren übergeordneten Zusammenschlüsse (Comunas).1

Die kommunalen Räte und Comunas sind eine Antwort auf die Beschränkungen der repräsentativen Demokratie, zugleich ist mit ihnen eine Verlagerung der popularen Macht verbunden: weg von der Produktionssphäre hin zu den Territorien. Während sich Klassenkämpfe früher in erster Linie um Produktionsprozesse herum organisierten (in Fabriken, auf Plantagen usw.), haben Deindustrialisierungsprozesse, das Scheitern von importsubstituierenden Entwicklungsstrategien in Lateinamerika, der Neoliberalismus und die »Akkumulation durch Enteignung« (Harvey) dazu geführt, dass das Territorium bei der Entstehung gesellschaftlicher Subjekte und ihres Widerstands eine immer wichtigere Rolle spielt. Die Bewohner*innen armer Nachbarschaften und ihre Kämpfe – gegen Vertreibung und für Wohnraum, gegen Bergbauprojekte oder für öffentliche Infrastruktur – haben den popularen Bewegungen in den letzten Jahrzehnten ihren Stempel aufgedrückt.

Schon vor der Machtübernahme von Chávez, nämlich mit dem Kollaps der repräsentativen Demokratie, der durch den Volksaufstand im Februar 1989 manifest wurde, nahm die Partizipation – in Form sozialer Kämpfe – rasant zu. Das ›Volk‹eroberte die Straße. Dank der Mobilisierung und direkter Aktionen wurde es zur Macht; es entstand eine Demokratie der Straße, die sich der ›Demokratie‹ der Paläste und politischen Führungen widersetzte. Mit der bolivarianischen Revolution radikalisierte sich dieser Prozess und nahm neue spontane und institutionelle Formen an: Debatten zum verfassunggebenden Prozess, Mobilisierungen gegen rechte Umsturzversuche, Proteste gegen bürokratisierte Behörden, partizipative Planungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung, städtische Landkomitees, bolivarianische Zirkel, Genossenschaften, lokale Planungsräte und eben die Comunas.4

In der von der Regierung 2007 vorgeschlagenen Verfassungsreform kam den Comunas als Instrument zur Beteiligung der Bevölkerung eine zentrale Bedeutung zu. In Artikel 16 wurde eine neue Machtgeometrie vorgeschlagen, mit der die territoriale Struktur Venezuelas ausgehend von den Comunas neu geordnet werden sollte.Ihr Aufbau steht in engem Zusammenhang mit den Konzepten von popularer Macht und sozialistischer Gesellschaft und soll den Menschen die Möglichkeit eröffnen, Territoriumund Geschichte kollektiv selbst zu gestalten. Die Comuna soll verschiedene Organisationen und Akteure eines Territoriums zusammenbringen und gesetzgebende, exekutive, regulierende und verwaltende Funktionen übernehmen. Sie soll koordinieren, planen, Finanzmittel vom Staat verlangen, Konflikte lösen, eigene politische Forderungen entwickeln und diese gegenüber dem Staat vertreten.

Schon in den ersten programmatischen Texten der bolivarianischen Revolution tauchen die Begriffe Comuna und Kommunestaat (Estado Comunal/Comunero7)  als alternative Konzepte zu den Institutionen und Verwaltungseinheiten des bürgerlichen Staates auf. Ergänzt wurde diese in den folgenden Jahren mit von der Basis erhobenen Forderungen nach mehr Partizipation und popularer Macht. Doch es war vor allem Chávez, der das Konzept ab 2005 ins Zentrum der Debatte und der popularen Praxis rückte.

Mindestens vier Faktoren trugen zu diesem Prozess bei:

 

  1. Das Scheitern der rechten Putschversuche und die Konsolidierung der bolivarianischen Revolution: Die Jahre zwischen 2001 und 2004, in denen die Unternehmerverbände immer wieder zum Instrument der Aussperrung griffen, Massendemonstrationen organisierten und Umsturzversuche anzettelten, verliefen extrem turbulent. Obwohl in dieser Zeit große Fortschritte gemacht wurden (so wurden etwa das Gesundheitsprogramm Barrio Adentro und andere Misiones eingeführt, der Analphabetismus besiegt und die Ölindustrie wieder unter Kontrolle des venezolanischen Staates gebracht), ist die Agenda jener Jahre von der Notwendigkeit beherrscht, die Revolution vor der Rechten zu schützen. Erst der deutliche Sieg beim Abwahlreferendum gegen Präsident Chávez 2004, das das bolivarianische Lager mit 59 Prozent der Stimmen gewann, eröffnete die Möglichkeit, auf der Grundlage der Kämpfe ein eigenes Projekt zu entfalten.
  2. Der Erfolg der popularen Kämpfe: Die in den Jahren 2001 bis 2006 erprobten Partizipationsformen und die Übertragung der Macht auf populare Institutionen waren keine Zugeständnisse oder Geschenke ›von oben‹, sondern Ausdruck der Kämpfe und einer allgemein wichtiger werdenden Rolle der subalternen Klassen. Beispielsweise sind die Mesas Técnicas de Agua ein wichtiges Mittel zur Beteiligung der unteren Klassen an der öffentlichen Verwaltung der Wasserversorgung, der aufgrund der allgemeinen Wasserknappheit in venezolanischen Groß- städten große Bedeutung zukommt. In ihrem Widerstand gegen die Angriffe der Rechten und in der Alltagsorganisierung in Krisenmomenten (wie während der Unternehmeraussperrung Ende 2002) lernten die Subalternen, Macht auszuüben und erlangten somit Selbstbewusstsein und Anerkennung als politische Subjekte.
  3. Der Bedeutungsverlust anderer Partizipationsformen: Auch wenn in den ersten Jahren der bolivarianischen Revolution verschiedene neue Organisationsformen entstanden, verloren diese in dem Maße an Bedeutung, wie sich der politische Horizont der Subalternen erweiterte. Die Entwicklung hin zur Comuna als größerer und übergeordneter Einheit popularer Organisierung war eine Antwort darauf, dass andere Partizipationsformen an ihre Grenzen gestoßen waren. Die Kämpfe auf der Straße halfen, Angriffe von rechts abzuwehren, schufen aber keine Selbstverwaltung. Die ersten Formen der Ko-Regierungwaren sektoriell ausgerichtet (wie die städtischen Landkomitees, Genossenschaften oder Runden Tische zur Wasserversorgung) oder blieben räumlich beschränkt (wie die kommunalen Räte).
  4. Der strategische Bezug auf den Sozialismus: Der Appell, Comunas aufzubauen und damit die Volksmacht zu erweitern, fiel zusammen mit der zunehmend sozialistischen Ausrichtung der bolivarianischen Revolution. Auf dem Weltsozialforum von Porto Alegre 2005 bezeichnete Chávez erstmals den Sozialismus als einzige Alternative zum Kapitalismus. Die Natur des bolivarianischen Sozialismus, der Demokratie und Partizipation als grundlegende Bestandteile des revolutionären Projekts begreift und sich damit von sozialistischen Regimen im 20. Jahrhundert und ihrem starken Etatismus und Bürokratismus abgrenzt, verleiht der Comuna eine besondere Funktion – sowohl als langfristige Perspektive als auch als konkretes Instrument für einen anderen, eigenständigen Sozialismus.

Es gibt im ganzen Land um die 3000 funktionierende Comunas, ergänzt durch etwas 50000 kommunale Räte und andere lokale Organisationen. Sie stellen ein gewaltiges Experiment gesellschaftlicher Partizipation und Selbstregierung ›von unten‹ dar. Die popularen Klassen kümmern sich um die Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen, sorgen für den Bau von Wohnungen und eine Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Es entstehen Stadtplanungs-, Kultur-, Bildungs- und Rechtsprechungsprojekte ›von unten‹. Die Comunas können sich außerdem mit anderen Comunas und Organisationen zusammenschließen und gemeinsam Entwicklungspläne erarbeiten. Bemerkbar macht sich dies besonders bei der Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen. Auch wenn die Mehrzahl dieser Projekte durch den Staat finanziert wird, gibt es auch selbstverwaltete Comunas, die sich mit eigenen Ressourcen oder durch von der Gemeinschaft kontrollierte Produktionsmittel finanzieren – also nicht von Zahlungen des Staates abhängig sind.

Schwierigkeiten und Herausforderungen beim Aufbau der Comunas

Diese Form der Organisierung und des Ausbaus lokaler Macht stößt jedoch auch auf Grenzen. Viele der gegenwärtigen Probleme haben mit dem Entstehungsprozess der Comunas als auch mit den strukturellen Rahmenbedingungen zu tun. Venezuela ist außerordentlich stark von seinen Öleinnahmen abhängig, und die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Staat (der unter Chávez die Verfügungsgewalt über die Erdöleinnahmen zurückerobert hat) sind dadurch stark deformiert. Ich möchte auf Grundlage einer Feldstudie, die wir in den letzten zwei Jahren in drei Comunas von Caracas durchgeführt haben, einige dieser Probleme aufzeigen.

Ressourcenökonomie versus Produktion

In unserer Feldstudie haben wir die enge Beziehung zwischen popularer Macht und materieller Produktion feststellen können. Wenn diese Macht nicht auf Praktiken der Produktion, Aneignung und Verteilung von Gütern beruht, verwandelt sie sich in eine Verwaltungsinstanz ohne Fähigkeit zur Gestaltung des kollektiven Lebens.

Die Beziehung zum Staat

Ein zweites (oben bereits skizziertes) Problem beim Aufbau der popularen Macht ist ihr Verhältnis zum Staat. Dieser verfügt mit der Ölrente über ein Machtinstrument, was oftmals zur Einmischung oder Bevormundung genutzt wird. Mit diesem Hinweis soll nicht gesagt werden, dass die Comunas jede Beziehung zum Staat abbrechen sollten. Während des Übergangs zu neuen Formen der Staatlichkeit übt der Staat notwendigerweise Schutz-, Koordinations- und Souveränitätsfunktionen aus und bietet Dienstleistungen und Güter an, die nicht von den Basisorganisationen zur Verfügung gestellt werden können. Und doch ist die komplexe Beziehung zwischen Comunas und Staat Ausdruck eines politischen Kampfs, nämlich der Auseinandersetzung darum, wer tatsächlich die Macht innehat – die Bürokratie oder das ›Volk‹.

Die Beziehungen zwischen popularer Macht und Staat können von Kooperation, Reziprozität oder Konflikt bestimmt sein, sie können sogar die verschiedenen Merkmale gleichzeitig aufweisen. Aber solange die Comunas von der Macht des Staates abhängig bleiben, besteht die Gefahr der Unterwerfung.

Die Idee des Kommunestaates beruht darauf, dass sich die Commuas Kompetenzen und Ressourcen zur lokalen Selbstregierung aneignen, aber auch über die strategische Ausrichtung der Politik im Land mitentscheiden. Das impliziert eine Transformation des alten Staates, womit die Herrschaft des Staatsapparates überwunden und er in die Dienste des ›Volkes‹ gestellt wird. Kommt es nicht dazu, wird der bürokratische Apparat die neuen Machtformen ›von unten‹ ersticken oder sie in ein Anhängsel beziehungsweise einen Transmissionsriemen der bürokratischen Macht verwandeln.

Die Trennung zwischen Führenden und Geführten

Ein häufig zu beobachtendes Problem ist die Reproduktion von Herrschaftsbeziehungen in den Comunas selbst, also die Spaltung in Führende und Geführte. Sprecher*innen oder Aktivist*innen einer Comuna degradieren die anderen Mitglieder oftmals zu passiven Zuhörer*innen und Entscheidungen werden nur von einer kleinen Gruppe gefällt. Dabei handelt es sich um einen sich selbst verstärkenden Prozess: Umso weniger die lokale Bevölkerung beteiligt ist, desto weniger wird sie sich für Aktivitäten oder Projekte der Comunas interessieren. Wenn eine Person oder eine Gruppe alles allein entscheidet und als Versorger*in gegenüber der Community auftritt, dann schafft sich damit eine ›Klientel‹, mit der die eigene Macht gesichert werden kann. Dabei werden Kritiker*innen und Abweichler*innen häufig als Oppositionelle oder Kriminelle denunziert und ausgegrenzt.

Die Aneignung kollektiver Macht durch einige wenige und die Trennung zwischen Führenden und Geführten sind mit den Kerngedanken der Comunas nicht vereinbar, denn sie reproduzieren die Herrschaftslogik. Eine Führungsgruppe wird zur Regierung im Kleinen, die Probleme ›löst‹ und hinter dem Rücken der Comuna regiert. Dies unterminiert den egalitären Charakter des sozialistischen Projekts, das Gemeinsame zerfällt und wird für Einzelinteressen instrumentalisiert.

Die Beziehung mit dem Territorium und der ›Lokalismus‹

Chávez (2009) hat frühzeitig auf die Gefahren des ›Lokalismus‹ hingewiesen. Die Comuna müsse als eine territorial verankerte Einheit in ein Gesamtsystem eingebunden sein. Das Lokale, das sich auf das eigene Territorium beschränkt, ohne Verbindungen mit anderen Strukturen zu entwickeln, sei reaktionär. Die Comuna selbst stellt eine Antwort auf den Lokalismus früherer Formen der popularen Organisation dar. Ihre Verortung in einer neuen Machtgeometrie bedeutet, das Verhältnis zu größeren territorialen Einheiten (der Stadt, der Region, dem Land und der Welt) zu erkennen, denn nur dann können existierende Ungleichheiten zwischen Territorien, zwischen Armen- und Reichenvierteln, zwischen produktiven und Rentiersregionen usw. überwunden werden. Die Rentenökonomie befördert allerdings lokalistische Tendenzen: Man begibt sich in Konkurrenz mit anderen Nachbarschaften um staatliche Mittel, anstatt strukturelle Ursachen zu bekämpfen, die ein Territorium gegenüber anderen benachteiligen. Bisweilen lässt sich dies auch innerhalb einer einzelnen Comuna beobachten, sodass beispielsweise nur diejenigen Gebiete, in denen die mächtigeren Mitglieder der Organisation wohnen, von staatlichen Finanzhilfen profitieren.

Fazit

Der Aufbau der popularen Macht in Venezuela war ein neuartiges und mutiges Projekt. Wie zu Beginn dargelegt, handelte es sich um einen schöpferischen Prozess ›von unten‹, der schon lange, bevor populare Macht gesetzlich verankert und ›von oben‹ gefördert wurde, entstand. Doch in ihrer Entwicklung ist diese populare Macht mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert, bei denen es sich letztlich um die zentralen Probleme der venezolanischen Gesellschaft selbst handelt – nämlich um die konkrete Form des Kapitals und seiner Herrschaft. Die Beschränkung dieser Macht auf die Verteilung von (sich angesichts der Wirtschaftskrise verknappenden) Pfründen, ihre Verwandlung in einen Transmissionsriemen des bürgerlichen Staates (der seinen Klassencharakter nicht eingebüßt hat), die Restauration alter Herrschafts- und Ausschlusspraktiken auf kleinster Ebene, die Reproduktion von Korruption, Ineffizienz, Postengeschacher und Klientelismus – das sind die realen Gefahren, die sich zu verschärfen drohen.9

Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Charakter der popularen Macht neu zu stellen. Statt sie als eine den Menschen nähere Verwaltungspraxis oder als neue Institutionenarchitektur zu verstehen, gilt es, ihren subversiven und radikalen Charakter neu zu formulieren. Die Ausübung der Macht ist nur dann popular, wenn sie sich den Strukturen und Logiken der auf Enteignung und Beherrschung der Subalternen beruhenden Macht entgegenstellt. Populare Macht ist Gegenmacht. Sie ist der Bruch mit jenen ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Logiken, die Herrschaft und Ausbeutung hervorbringen. Aus diesem Grund läuft jeder Versuch der bürokratischen Kontrolle, Kooptation, Zähmung oder Befriedung des poder popular auf die Beseitigung von dessen Grundlagen hinaus.

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Beitrags aus dem Buch »Jóvenes, cultura productiva y nuevo poder« (2015). Aus dem Spanischen von Raul Zelik

1 Mit der Gründung von Comunas 2009 wollte die Chávez-Regierung die Beschränkung bürgerlich-demokratischer Institutionen auf die politische Sphäre überwinden. Während in den kommunalen Räten (Consejos Comunales) jeweils einige Hundert Menschen, also Nachbarschaften, organisiert sind, repräsentieren die Comunas als neu geschaffene territoriale Einheiten (zusätzlich zu den traditionellen kommunalen Verwaltungsstrukturen) mehrere Zehntausend Menschen. Sie sind für die Wohnraumversorgung und die öffentliche Infrastruktur zuständig, aber auch für Aufgaben im Produktionsbereich und beim Vertrieb. Es handelt sich vom Anspruch her um Basiseinheiten einer sozialistischen Demokratie, die die Trennung zwischen politischer und ökonomischer Sphäre aufzuheben suchen (Anm. d. Übers.).

2 Antillano nimmt hier Bezug auf eine Debatte, die in den 1970er Jahren sowohl in Südeuropa als auch in Lateinamerika geführt wurde. Ihre zentrale These lautete, dass sich die Klassenkämpfe von den Produktionsstätten an die Lebensorte (die Barrios und proletarischen Viertel) verlagerten. Heute ist der Begriff der sozioterritorialen Kämpfe ein Schlüsselbegriff der lateinamerikanischen Linken. Gemeint sind damit sowohl urbane Stadtteilbewegungen als auch die Kämpfe von Bäuer*innen, Indigenen und Afros gegen ihre Vertreibung aufgrund von Bergbau- und Energieprojekten (Anm. d. Übers.).

3 Pueblo (Volk) und clases populares (Volksklassen oder populare Klassen) sind nach wie vor zentrale Begriffe der linken Gesellschaftsanalyse in Lateinamerika. Da ›Volk‹ in den Einwanderungsgesellschaften des Subkontinents fast nie als ethnisches Subjekt, sondern eigentlich immer als Synonym für die unteren Klassen oder als staatsbürgerliches Projekt verstanden wird, ist eine rassistische Deutung ausgeschlossen (Anm.d.Übers.).
4 Vgl. auf Deutsch u.a. Azzellini (2010) sowie zur Selbstorganisierung der Krisenjahre Zelik et al. (2004).

5 Die Verfassungsreform, mit der der Chavismus Venezuela offiziell in ein sozialistisches Land verwandeln wollte, wurde von der Bevölkerung in einem Referendum abgelehnt. Die Comunas wurden jedoch durch einfache Gesetze als Rechtssubjekte verankert (Anm.d.Übers.).
6 Territorium wird hier erneut als Sammelbegriff verwendet, der den Lebensort einer Community beschreibt – das kann sich auf eine städtische Nachbarschaft, eine bäuerliche Gemeinschaft, aber auch auf Indigenen-Land beziehen (Anm.d.Übers.).

7 Estado Comunal ist der vom Chavismus verwendete Begriff. Kleber spricht vom Estado comunero. Hier wird beides mit Kommunestaat übersetzt. (Anm.d.Übers.)

8 Der Begriff der cogestión beschreibt die Mitverwaltung von Communitys. Er wird auch für betriebliche Mitbestimmung verwendet, meint hier aber das gemeinsame Regieren von Bevölkerung und Staat (Anm.d.Übers.).

9 Das von Antillano angesprochene Phänomen wird im Zusammenhang von ›Bürgerhaushalten‹ oft beschrieben: Arme Nachbarschaften werden durch Bürgerbeteiligung eher getrennt als geeint. Sie konkurrieren untereinander um Finanzmittel, anstatt sich wie früher gemeinsam gegen die Marginalisierung zu wehren. Bisweilen sorgen Wortführer in den Communities sogar dafür, dass nur der Teil des Viertels, in dem sie selbst wohnen, von den Geldern profitiert (Anm.d.Übers.).

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