In vielen Gesprächen mit Kommunal- und Landespolitiker*innen zum Thema Klimafolgenanpassung habe ich erlebt, dass nach wenigen Sätzen nur noch über die Energiewende, also über Klimaschutz gesprochen wird. Klimafolgenanpassung braucht jedoch eine ganz andere Problemperspektive und hat andere Adressat*innen. Klimaschutzmaßnahmen können aus physikalischer Sicht an jedem beliebigen Ort umgesetzt werden. Anpassungsmaßnahmen hingegen müssen an Orten spezifischer Klimawandelfolgen wirksam werden. Daher sind die Akteure beim Klimaschutz und bei der Klimaanpassung nicht identisch. Anpassung zielt darauf ab, die lokalen Klimafolgenrisiken zu verringern, und wer die Maßnahmen umsetzt, profitiert in der Regel auch direkt von ihnen – anders als beim Klimaschutz, dessen Effekte in der Zukunft und global wirksam werden. Der Effekt von Anpassungsmaßnahmen lässt sich – anders als beim Klimaschutz, wo der Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre entscheidend ist – nicht durch ein einziges Erfolgskriterium beurteilen, quantifizieren und durch eindeutige Kosten-Nutzen-Rechnungen bewerten. Er ist auch abhängig von politischen Bewertungen und normativen Zielen. Die Klimaanpassung ist aus diesen Gründen ein noch komplexeres politisches Feld als der Klimaschutz. Hier ist es notwendig, Probleme multidimensional zu analysieren und sozial inklusive Maßnahmen zu treffen. Das Ziel der Umweltgerechtigkeit und die Verhinderung von sozialer Segregation sollten wichtige Maßstäbe der Anpassungspolitik sein.

Klimaanpassung findet (teilweise) Stadt

Die Lücke zwischen dem Wissen über die Klimafolgen und dem notwendigen Anpassungshandeln ist mindestens so groß wie die zwischen dem Klimawandelwissen und dem Klimaschutzhandeln. Seit dem Bericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) von 2007 wurden die Erfordernisse der Klimaanpassung auf kommunaler Ebene in Deutschland umfassend beforscht; viele europäische Städte haben in den letzten Jahren Anpassungsstrategien auf Quartiersebene und für die Gesamtstadt entwickelt, Vorreiter sind hier etwa Berlin und Wien. Akute Handlungsfelder sind Hitzeperioden und extreme Niederschlagsereignisse. Das Anpassungshandeln konzentriert sich bisher auf stadtplanerische Infrastrukturmaßnahmen wie die Grünraumentwicklung, die Gebäudebegrünung und die Schaffung zusätzlicher Wasserflächen zur Kühlung der Innenstädte. Des Weiteren wird auf die Entsiegelung und die Schaffung von Auffangbecken zur Speicherung von Regenwasser, auf den Kanalisationsumbau zur Abflussregulierung und den Bau von Hochwasserbarrieren gesetzt. Als Reaktion auf den Hitzestau, der bei lang anhaltend hohen Temperaturen in Innenstadtquartieren auftritt, stellt die Wiener Stadtverwaltung mittlerweile Sprinkleranlagen auf Fußgängerwegen bereit. Diese Anpassungsmaßnahmen berücksichtigen akute und langfristige Risiken auf lokaler Ebene und reagieren mit der Neugestaltung technischer oder baulicher Infrastrukturen.

Oft bleibt die Anpassung jedoch reaktiv und Lösungen werden erst gesucht, nachdem Katastrophen eingetreten sind – wie zuletzt 2021 im Ahrtal. Statt jährlich über Jahrhundertereignisse zu staunen, müssen klimawandelbedingte Extremereignisse als das neue Normal erkannt werden. Doch noch immer sind kontraproduktive Maßnahmen zu beobachten, die die Widerstandsfähigkeit sogar noch verringern – etwa wenn in Innenstädten Glasfassaden gebaut und Straßenräume mit Betonplatten und Asphalt versiegelt werden, sodass Starkregen nicht abfließen kann und vermehrt Hitzestau auftritt. Der Neubau von Siedlungs- und Verkehrsflächen führt zur weiteren Verschärfung der Krisenfolgen.

Anpassung als Fortschreibung des Status quo

Es wurde viel dazu geforscht, wie sich Individuen und Gesellschaften an den Klimawandel anpassen, welche Unterstützung bereitgestellt werden kann und welche Hindernisse im Prozess der Anpassung auftreten (Adger et al. 2009; Schipper/Burton 2009). Bisher wurde dabei nur wenig über die Hindernisse gesprochen, die auf kapitalistischen, patriarchalen oder wachstumsdominierten Diskursen basieren. Anpassungspolitik zielt in der Regel auf klimaresiliente Infrastrukturen, die eine Fortschreibung des Status quo gewährleisten. Die primär ingenieurswissenschaftlich und planerisch ausgerichtete Anpassungsforschung betrachtet die physischen Elemente eines gestörten Systems und sucht nach Möglichkeiten, diese Elemente – Städte, Landwirtschaft oder Wälder – unter veränderten Bedingungen widerstandsfähig zu machen. Die Nicht-Nachhaltigkeit des Systems selbst wird nicht infrage gestellt. So bleibt Anpassung eine strukturkonservative Problemlösung.

Die oben genannten baulichen und organisatorischen Maßnahmen orientieren sich weiterhin an wachstums- und effizienzorientierten Entwicklungspfaden. Aus einer kritischen Perspektive ist diese Form der Anpassung in erster Linie eine Strategie innerhalb ungerechter sozialer Strukturen. Die modellhaften Maßnahmen in Großstädten, etwa Entsiegelung und Kühlung, sind nicht unbedingt in Quartieren zu finden, die am meisten von Klimawandelfolgen betroffen sind und ohnehin unter Luftbelastungen leiden. Wenn Umweltgerechtigkeit der Maßstab wäre, müssten sie zu allererst in Quartieren mit den geringsten Durchschnittseinkommen erfolgen. Für das Beispiel Berlin wurde dieser Mangel an Umweltgerechtigkeit bereits aufgezeigt (SVSU 2015). 

Klimaanpassung als Risikovorsorge

Der am 27. Februar 2022 veröffentlichte sechste Bericht der Arbeitsgruppe »Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit« des Weltklimarats beschreibt, in welchem Umfang und in welcher Geschwindigkeit Arten aussterben, Hunger und Krankheiten zunehmen und biologische Kreisläufe kollabieren. Der Bericht stellt fest, dass Risiken und Katastrophen immer heftiger auftreten. Anpassung müsse darauf abzielen, die negativen Effekte abzufedern: Städte brauchten mehr natürliche Kühlung, Wälder müssten trockenheitsresistenter umgestaltet, die Landwirtschaft diversifizierter betrieben und öffentliche Infrastrukturen widerstandsfähiger gegen Extremereignisse ausgestattet werden.

Der Bericht betont zudem die Dring­lich­keit von Lösungen, die dem Grundsatz der Gerechtigkeit entsprechen. Diese habe hier drei Dimensionen: die gerechte Verteilung von Lasten und Nutzen (distributive justice), die gerechte Beteiligung an Entscheidungsprozessen (procedural justice) und die Anerkennung unterschiedlicher kultureller und gesellschaftlicher Perspektiven (recognition) (IPCC 2022). Dieses multidimensionale Verständnis von Gerechtigkeit entspricht auch dem Machtkonzept von Nancy Fraser (2001) und stellt eine deutliche Erweiterung des im IPCC-Bericht von 2014 vertretenen Konzepts von Anpassung dar. Darin wird nicht nur die rein volkswirtschaftliche Logik einer Umverteilung der finanziellen Kosten der Anpassung hinterfragt, sondern es werden auch die Machtverhältnisse in den Blick genommen, in denen privilegierte Bevölkerungsgruppen Priorität genießen. In Entscheidungsprozessen sind die Lebensrealitäten marginalisierter Gruppen nicht repräsentiert, ihre Anpassungskapazitäten und -bedarfe werden nicht angemessen berücksichtigt. Das betrifft etwa alleinlebende alte Menschen, Menschen mit Migrationserfahrung oder mit Mobilitätseinschränkung, die mit am stärksten betroffen sind.

Ansatzpunkte einer linken Politik der Klimaanpassung

Auf kommunaler Ebene werden die Vorsorge gegen klimawandelbedingte Extremereignisse und die zunehmend dauerhaften Veränderungen von Temperatur-, Niederschlags- und Hochwasserregimen den Fachplanungen übertragen. Sie setzen im Rahmen ihrer infrastrukturellen und technologieorientierten Logiken bauliche Lösungen (etwa Flutschutzwände und den Ausbau der Kanalisation) und Formen des Monitoring (etwa die Messung und Verknüpfung von Umweltdaten) um. Eine öffentliche und transparente Debatte zu den sozialen Effekten von Maßnahmen wird von Kommunalverwaltungen bisher noch zu selten initiiert. Die Dominanz eines technologieoptimistischen Denkens und Fortschrittsversprechens hält auch in der Klimakrise weiter an. Was in den Debatten ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass darüber hinaus auch klimawandelangepasste Lebensweisen notwendig werden. Dies erfordert etwa die Aufklärung über lokale Klimawandelrisiken – nicht nur das Wissen um richtiges Anpassungsverhalten (Was tun bei extremer Hitze?) –, sondern auch das Bewusstsein für sofortige Klimaschutzmaßnahmen, die die Risiken vor Ort minimieren. Dazu gehören Suffizienz­praktiken, die etwa Hitzestaus in Städten vermeiden. Eine konsequente Anpassungspolitik, die den ­Umfang des motorisierten Verkehrs beschränkt, könnte gleichzeitig das Klimaschutzhandeln befördern.

Es existieren zahlreiche Best-Practice-Beispiele, Modellregionen und Leuchtturmprojekte kommunaler Klimafolgenanpassung. Das deutsche Umweltbundesamt hat schon 2012 »Regionale Ideen- und Kooperationsbörsen zur Klimaanpassung« initiiert und das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) geschaffen, das Anpassungswissen zusammenträgt, um kommunale Entscheidungsträger*innen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und in ihrem Engagement zu unterstützen. KomPass betreibt außerdem eine »Tatenbank«, auf der Kommunen lokale und regionale Praxisprojekte und Einzelmaßnahmen melden können. Aus Einzelmaßnahmen entsteht jedoch noch keine integrierte Politik der Anpassung, die eine sozial-ökologische Transformation voranbringt. Die üblichen Erfolgskriterien Effektivität/Wirksamkeit, Effizienz/Robustheit, Fairness/finanzielle Tragbarkeit, Flexibilität und Legitimität (Adger et al. 2005; UBA 2015) lassen zudem keine transparente Priorisierung der Maßnahmen zu. So bleiben viele alternative Maßnahmen unbenannt: Innenstädte ohne motorisierten Verkehr etwa hätten ebenfalls einen großen Kühlungs- und Gesundheitseffekt. Auch die Schaffung von Wohnraum für Geringverdiener*innen an Frischluftschneisen wäre eine gerechte Anpassungsmaßnahme. Klimaanpassung sollte auch die Feinstaub- und Hitzebelastung von armen Nachbarschaften in dicht besiedelten Quartieren und an Hauptverkehrsachsen beseitigen. Eine proaktive Anpassungspolitik würde nicht erst auf die Schäden warten, um sie dann abmildern zu können. Denn andernfalls bliebe die effektivste individuelle Anpassungsstrategie ein Haus mit Garten am Stadtrand (für Besserverdienende) – mit entsprechend negativen Effekten der Bodenversiegelung und Verkehrszunahme.

Eine effektive Klimaanpassung ist also nicht allein die Aufgabe von Ingenieur*innen. Sie kann nur das Ergebnis konsequenten politischen Handelns sein. Eine solche Anpassungspolitik muss sich an den sozial differenzierten Bedürfnissen einer gerechten und ökologisch nachhaltigen Anpassung vor Ort orientieren. Und sie muss transparent machen, welche kurz- und langfristigen Strategien sie priorisiert. Die objektive ­Notwendigkeit der Anpassung ist kein neutraler Treiber für standardisierte Maßnahmen. Anpassung ist ein normatives Ziel, dessen Ausrichtung öffentlich ausgehandelt werden muss und dabei vielfältige Wissenssysteme – von wissenschaftlichem Wissen über das Praxiswissen kommunaler Akteure bis zum Erfahrungswissen der betroffenen Bevölkerung – berücksichtigen muss (Klepp/Chavez-Rodriguez 2018).

Klimaanpassung: multiperspektivisch und intersektional 

Ungeklärt ist bisher die Frage nach dem Gerechtigkeitsmaßstab für eine angemessene Klimaanpassung. Wie wird festgelegt, wann Anpassungsmaßnahmen nötig sind und welche Ziele sie verfolgen? Ist Anpassung erreicht, wenn niemand vor Hitze kollabiert und nach einer Dürre oder Überschwemmung ohne Obdach lebt? Oder muss Anpassung mit einer ausgeglichenen globalen Verteilung von Risiken und Nutzen verbunden sein? Die Antworten auf diese Fragen berühren widersprüchliche Visionen einer gerechten globalen und sozialen Entwicklung und unterschiedliche Vorstellungen von Wohlergehen und Wohlstand.

Klimaanpassung muss ein Projekt sozial-ökologischer Transformation sein. Deiche höher zu bauen allein ist keine nachhaltige Anpassungsstrategie. Gleichzeitig müssen die Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen der menschlichen und der nicht-menschlichen Welt neu gestaltet werden. Dazu gehört auch, sie als nicht hierarchisch zu verstehen. Spätestens mit der Industrialisierung der Landwirtschaft wurde der Natur eine allein dienende Funktion zugewiesen. Die Idee eines rein technokratischen Anpassungsmanagements impliziert die Annahme, dass die Reaktionen der Ökosysteme auf die menschliche Nutzung linear, vorhersehbar und kontrollierbar seien und dass menschliche und natürliche Systeme unabhängig voneinander behandelt werden könnten. Eine linke Anpassungspolitik sollte daher Ökosysteme als integralen Bestandteil gesellschaftlicher Entwicklung verstehen und nicht nur deren dienende Funktion optimieren wollen.

Die kommunale und nationale Klimaanpassungspolitik sollte zentral daran gemessen werden, inwieweit sie zur Umweltgerechtigkeit beiträgt bzw. soziale Ungleichheit und Segregation noch verstärkt. Für viele Menschen ist die durch den Klimawandel verursachte Verwundbarkeit nicht das Hauptproblem, vielmehr erzeugt sie zusätzliche Belastungen ihrer Lebensgrundlagen und ihrer Gesundheit, die schon zuvor durch Luftverschmutzung, industrialisierte Landwirtschaft und Umweltzerstörung gegeben waren. Auch wenn zukünftige Generationen stärker von Klimawandelfolgen betroffen sein werden, haben nicht alle Kinder gleichen Grund zur Sorge. Einkommen und Wohnort sind entscheidend für die Anpassungskapazitäten. Füreine sozial gerechte Klimaanpassungspolitik bedeutet das, nicht nur die Klimawandelfolgen, sondern auch die Ursachen von Ungleichheitsstrukturen zu erkennen und abzubauen. Aus dieser Perspektive ist Anpassungspolitik in erster Linie Gerechtigkeitspolitik, die eine proaktive Anpassung an Klimawandelfolgen insbesondere in marginalisierten Quartieren mit einer gerechten Wohnungspolitik sowie einer gesunden und klimaschützenden Mobilitätspolitik verbindet.

Rassismus, Klassismus und Geschlechternormen sind entscheidende Verwundbarkeitsfaktoren – und damit maßgebliche Kriterien für eine Anpassung, die Städte sozial gerecht und lebenswert für alle machen will. Die Folgen des Klimawandels treffen Regionen und Menschen extrem unterschiedlich und der größte Risikofaktor dafür, von Klimawandelfolgen betroffen zu sein, ist immer noch Armut. Fehlende Eigentumsrechte, Einkommensarmut, eine schlechtere Gesundheitsversorgung und geringe soziale Rechte nehmen großen Einfluss auf die individuelle Widerstandsfähigkeit gegen Klimawandelfolgen. Sie müssen daher im Fokus einer linken klimawandelorientierten Gerechtigkeitspolitik stehen.