Gute Böden sind lebensnotwendige Güter und wertvolle Lebensräume. Doch der Zugang zu dieser elementaren Ressource wird immer mehr zum Problem. Die Weltbevölkerung wächst, zugleich steht immer weniger fruchtbares Ackerland zur Verfügung, nicht nur durch den Flächenverbrauch von Siedlungen und Straßen, vor allem auch durch die Übernutzung durch die Landwirtschaft. Auf immer weniger Land soll immer mehr produziert werden, um die Welternährung zu sichern. Allein diese Prognose erhöht den Druck auf das knappe Gut Boden. Das lockt auch Spekulant*innen und Großinvestor*innen an. Das Nachsehen haben die, die tagtäglich das Land bewirtschaften, aber in diesem Wettbewerb nicht mithalten können.
Der Zugang zum Boden muss aber gesichert sein für diejenigen, die unsere Mittel zum Leben, unsere Lebensmittel, herstellen. An dieser Frage entscheidet sich die Ernährungssouveränität der Zukunft. Die Forderung nach einem breiten Zugang zu Boden wird seit einigen Jahren immer lauter. Die Politik soll die Konzentration der Böden in wenigen Händen verhindern.
Doch wie genau wäre die Bodenfrage aus linker Sicht zu regeln? Sollte der laut Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization of the United Nations/ FAO) rechnerisch jede*r Erdenbewohner*in zustehende Acker von 2.000 m2 das Maß aller Dinge sein? Oder ist das Land möglichst effektiv so zu verteilen, dass genug Nahrung für alle produziert werden kann? Ginge ein breiterer Zugang zum Boden mit einer geringeren Produktivität einher und wäre gesamtgesellschaftlich kontraproduktiv? Wie kann breite Eigentumsverteilung und eine gemeinschaftliche Bewirtschaftung sinnvoll gestaltet werden?
Diese Fragen sind auch in der Linken umstritten. Die Erfahrungen mit Bodenreformen und der Kollektivierung von Landwirtschaft, etwa in den realsozialistischen Ländern, sind widersprüchlich, ebenso die Erfahrungen mit unterschiedlichen Genossenschaftsmodellen und Eigentumsformen. In der Praxis bieten sich vielfältige Ansätze einer alternativen Bodenvergabe und -nutzung. Hier lässt sich weiterdenken, wie eine öffentliche, demokratische Kontrolle des Bodens und dessen sinnvolle sozialökologische Nutzung heute gestaltet sein könnte.
Der Griff nach den Äckern
Land Grabbing betrifft nicht nur Afrika oder den globalen Süden, auch wenn dort die Auswirkungen am dramatischsten sind. Es ist ein weltweites Phänomen, das in Kambodscha ebenso auftritt wie in den USA oder in Osteuropa oder Ostdeutschland. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Bodenmarktpolitik« geht davon aus, dass zwischen 20 und 35 Prozent der Flächen in den neuen Bundesländern an Nichtlandwirte gehen. Dieser Trend treibt die Bodenpreise nach oben und ist eine Bedrohung für lokale Betriebe. Zusätzlich kaufen sich Kapitalgeber auch über Anteilskäufe in Betriebe ein und erhalten so Zugang zum betrieblichen Bodeneigentum. Einige Agrargesellschaften Ostdeutschlands sind bereits auf wenige Personen konzentriert und bieten durch ihre große Vermögenskonzentration einen Ansatzpunkt für den Einstieg von Investor*innen. Durch dieses »Farm Grabbing« entstehen riesige Landflächen, die von Aktiengesellschaften verwaltet werden.
Das hat enorme Folgen. Produziert wird immer weniger für die Region und fast ausschließlich für den Agrarexport. Kurzfristige, gewinnorientierte Pachtverträge machen eine langfristige Anbauplanung kaum möglich. Das erschwert Investitionen in den Boden und bewirkt Übernutzungen. Auch der Staat, die Länder und die Kirchen sind durch ihre Pachtausschreibungen an dieser Preistreiberei beteiligt. Der Zugang zum Boden hängt nicht von der gesellschaftlichen Notwendigkeit eines Agrarbetriebes und seiner Produkte ab, sondern davon, wer beim ruinösen Bieterwettbewerb überlebt hat.
Manche sehen das neue Interesse am Boden auch positiv: Es berge die Chance auf neue Investitionen, gebe dem ländlichen Raum eine Zukunftsperspektive. Doch leider steigen mit den Bodenpreisen nicht zugleich die Anzahl der Arbeitsplätze und die Wertschöpfung. Stattdessen führt der »Strukturwandel« zu einem »Höfesterben«. Dort, wo ein Betrieb aufgibt, wandern die Flächen meist zu den kapitalstarken, großen Betrieben.
Ansätze der Kooperation – Genossenschaften als Alternative?
Gegen den ruinösen Wettbewerb in der Landwirtschaft formiert sich zusehends eine Gegenbewegung: Kooperation statt Konfrontation. Die Zusammenarbeit von Erzeugerinnen, Verbrauchern, Bauern und Städterinnen, Höfen und Lieferanten bietet Perspektiven: sowohl für kleine Familienbetriebe als auch für mittlere Betriebe, die unter den Weltmarktpreisen leiden. Sie können helfen, Erzeugungskosten zu reduzieren, Maschinen besser auszulasten oder Risiken breiter zu streuen. Natürlich muss eine Kooperation ohne Zwang und strikt freiwillig sein. Vertrauen muss wachsen und der gegenseitige Nutzen für alle erkennbar sein.
Schon heute gibt es Formen der Kooperation, etwa in »Maschinenringen«, in denen sich Agrarbetriebe zusammenschließen, um Land- und Forstmaschinen – als Genossenschaft oder Verein – gemeinsam zu nutzen. Auch die immer stärker um sich greifende Idee der »Solidarischen Landwirtschaft« (SoLaWi) kann ein Lösungsansatz für die Vermarktung und den Absatz von Produkten sein. Ein weiteres Beispiel sind innovative Bodenfonds für Biobetriebe wie etwa der Bodenfonds der sozialökologischen GLS22-Bank, der im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin aktiv ist und darauf zielt, land- und forstwirtschaftliche Flächen dauerhaft für den ökologischen Landbau zu sichern. Obwohl es sich um einen nichtlandwirtschaftlichen Kapitalgeber handelt, steht hier der langfristige Nutzen, nicht der kurzfristige Profit im Vordergrund. Großflächig übertragbar ist das Beispiel nicht, kann jedoch Anregung für einen staatlichen Bodenfonds bieten, der sozialökologische Bewirtschaftungsanforderungen vorgibt.
Ein weiterer Schritt der Kooperation ist die eigentümerübergreifende, gemeinsame Bearbeitung der Nutzflächen im Modell der Agrargenossenschaften. Es hat eine über 160-jährige Tradition und spielt eine zentrale Rolle in den Diskussionen um linke Agrarpolitik, wo es als Alternative zu den kleinbäuerlichen Familienbetrieben gesehen wird. Die Agrargenossenschaft bietet die Möglichkeit, gemeinsam Verantwortung für die Flächen und die dazugehörigen Menschen zu übernehmen. Sie hat zudem den Vorteil, dass geregelte Arbeits- und Urlaubszeiten sowie Krankheitsvertretungen möglich sind, was die einzelnen Landwirte entlastet. Als Zusammenschluss von Landeigentümern, Landwirtinnen und bäuerlichen Familien soll die gemeinsame Bewirtschaftung das gemeinschaftliche Vermögen wahren und mehren und den damit verbundenen Menschen und Dörfern eine soziale Zukunft zu sichern.
Zwischen der Mitgliedschaft in einer Agrargenossenschaft und dem Bodeneigentum besteht formalrechtlich kein unmittelbarer Zusammenhang. Meistens bringen die Genossenschaftsmitglieder ihr Bodeneigentum als Pachtfläche ein. Die Genossenschaft erlaubt es, Privateigentum an Boden gemeinschaftlich zu nutzen. Obwohl das Modell seinen Mitgliedern viele Vorteile bietet und gerade für kleine Familienbetriebe einen Ausweg bieten könnte, gibt es heute weniger als 1.000 Agrargenossenschaften in der Bundesrepublik. Tendenz fallend. Die meisten sind im Bereich der arbeitsintensiven Tierproduktion und Energieerzeugung tätig – reine Ackerbaubetriebe sind selten. Neugründungen lassen sich leider an einer Hand abzählen. Zu groß sind die politischen Widerstände, zu restriktiv die gesetzlichen Rahmenbedingungen, zu stark das Festhalten an bisherigen Modellen, zu groß ist die Angst vor Kontrollverlusten bei den Mitgliedern – sowohl was den Besitz als auch was die Entscheidungsgewalt über den Betrieb betrifft.
Dennoch gibt es Agrargenossenschaften in Ostdeutschland als erfolgreiche Modelle der landwirtschaftlichen Kooperation und als Mehrfamilienbetriebe. In anderen Regionen der Welt sind sie schon viel länger verankert, jedoch oftmals nicht als Produktivgenossenschaft. Doch nicht alle Agrargenossenschaften sind Vorzeigebetriebe. Es gibt auch Genossenschaften, deren Geschäftsmodell von einer auf den Weltmarkt fixierten, flächenstarken GmbH schwer zu unterscheiden ist. Es muss im Einzelfall kritisch hinterfragt werden, wie die einzelnen Akteure am Markt agieren und das Land bewirtschaften und inwiefern der Genossenschaftsgedanke im Betrieb noch gelebt wird. Dies verweist jedoch auch auf die Notwendigkeit, Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen der Genossenschaftsgedanke wieder beflügelt werden kann, etwa durch eine Änderung des Genossenschaftsrechts sowie ein breiteres wirtschaftspolitisches Umdenken.
Den Markt zurückdrängen – Öffentliches Eigentum stärken
Um langfristig einen demokratischen Zugang zu Böden und eine sinnvolle gesellschaftliche Nutzung sicherzustellen, gilt es, den Marktdruck effektiv einzudämmen. Die zunehmende Entkopplung des Bodeneigentums vom Dorf oder der Region und die Verdrängung durch landwirtschaftsfremdes Kapital müssen gestoppt werden. Aber wie? Die Schutzvorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes aus den 1950er Jahren entpuppen sich aktuell als ein stumpfes Schwert. Das Gesetz soll eine »ungesunde Verteilung von Grund und Boden« verhindern. Doch wie eine gesunde Bodenverteilung aussieht, ist nicht ausreichend formuliert. Entsprechend gering sind die Möglichkeiten der Behörden, den Flächenerwerb zu beanstanden oder zu versagen. Darum ist eine Verbesserung des Bodenrechts vonnöten, die eine stärkere Regulierung ermöglicht. Die Einspruchsmöglichkeiten der Behörden sind zu stärken, das Vorkaufsrecht für regional ansässige Agrarbetriebe und für gemeinnützige Siedlungsunternehmen ist zu verbessern. Zugleich muss es Zugänge geben für junge Menschen, die in die Landwirtschaft einsteigen wollen.
Das alles wirft die grundsätzliche Frage nach dem Eigentum an Boden auf: Das Privateigentum an Grund und Boden wird noch immer als Voraussetzung für eine nachhaltige Bewirtschaftung gesehen. Individuelles Eigentum an Grund und Boden wird kaum noch (grundsätzlich) infrage gestellt. Dabei war Boden über lange Zeit ein Kollektivgut und wurde erst durch Enteignungen privatisiert. Der Zugang der einen ist seither der Ausschluss der anderen. Der Besitzende erzielt ein leistungsloses Einkommen, indem er den Boden verpachtet. Der gesellschaftliche Einfluss ist bislang gering.
Daher muss es mehr als bisher darum gehen, öffentliches Bodeneigentum zu erhalten und zu mehren. Denn bei öffentlichem Eigentum kann – auch durch demokratische Kontrolle – deutlich besser als bei Privateigentum ein sozialökologischer Umbau der Agrarwirtschaft vorangebracht werden. Darum muss die Privatisierung von Äckern, Wiesen und Wäldern dringend gestoppt werden. Die wenigen verbliebenen (BVVG)-Flächen1 müssen in einen öffentlichen Bodenfonds überführt und langfristig an regional ansässige Betriebe verpachtet werden. Hierbei sind sozialökologische Mindestkriterien der Bewirtschaftung zu definieren, zum Beispiel ein bestimmter Prozentsatz Ökolandbau. Öffentlicher Boden muss besonders zur Erfüllung öffentlicher Leistungen beitragen.