Stellen wir uns einen Hitzesommer im Jahr 2050 in einer deutschen Großstadt vor. Tropische Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt, verhindern über Wochen erholsamen Schlaf und setzen besonders alten und geschwächten Menschen zu. In den schlecht sanierten, dicht besiedelten Wohngegenden staut sich die Hitze – während es in Stadtvierteln mit Grünflächen und Gärten bis zu zehn Grad kühler sein kann.
Das ist nur ein Schlaglicht auf die Ungleichheit in einer klimaveränderten Welt – und es ist nicht das bedrückendste. In vielen Weltregionen werden zu diesem Zeitpunkt die Lebensverhältnisse unerträglich sein, zahllose Existenzen durch Umweltkrisen bedroht oder zerstört.
Doch auch die Hitzesommer in Deutschland werden massive Folgen haben und Tote fordern. Dass sie kommen, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Dass sich daraus dringender Handlungsbedarf ergibt, ebenfalls. Dennoch werden die Klimafolgen in ihrer Tragweite weithin verdrängt. Die Folge: Wir sind im schlechten Sinne »unangepasst«. Es fehlt an ausreichenden Infrastrukturen und Ressourcen, um mit Hitzewellen, Dürreperioden, Starkregen und Wasserkrisen umgehen zu können. Den Preis zahlen vor allem diejenigen, die am wenigsten haben. Klimaanpassung ist damit eine soziale Frage, eine der Fragen unserer Zeit, an der sich die Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung entscheidet. Dennoch wird sie auch in der Linken oft beiseitegeschoben. »Anpassung« wirkt defensiv, resignativ. Wer will schon über die Verwaltung des Mangels sprechen – damit lässt sich keine Zustimmung gewinnen. Und: Wäre es nicht besser, alle Anstrengungen auf den Klimaschutz zu richten, als sich jetzt schon mit den Folgen abzufinden?
Dabei ist gerade das Gegenteil richtig: Sich den Klimafolgen zu stellen, ist ein reality check, der die Dringlichkeit des Klimaschutzes umso deutlicher macht. Wenn wir verstehen, welcher Handlungsbedarf durch einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad entsteht, begreifen wir, warum ein weiterer Anstieg um jeden Preis verhindert werden muss. Das Verdrängte zu konfrontieren und ein glaubwürdiges Bild davon zu zeichnen, was auf uns zukommt, kann der Resignation eher entgegenwirken und zu kollektivem Handeln motivieren.
Denn selbst in den wohlhabenden Ländern des globalen Nordens sind die Herausforderungen immens. Starkregen und Hitzesommer häufen sich und verursachen in Großstädten schon jetzt jährlich mehr Todesfälle als der Straßenverkehr (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin, 2016, 16). In einigen Regionen sind traditionelle Pflanzensorten nicht mehr anbaubar und zahlreiche Tierarten vom Aussterben bedroht (vgl. Reimer in diesem Heft). Unsere Infrastrukturen und Lebensgewohnheiten sind auf ein klimatisch stabiles 20. Jahrhundert ausgerichtet. Über Anpassung zu reden, ist also keine Option, es wird uns von der Realität aufgezwungen. »Change is coming whether you like it or not«, sagte Greta Thunberg und analog ließe sich formulieren, dass Anpassung stattfinden wird, ob wir wollen oder nicht.
Die gegenwärtige Anpassung ist jedoch vielerorts nicht proaktiv, sondern reaktiv, nicht demokratisch, sondern autoritär, nicht öffentlich und universal, sondern privatisiert und technokratisch. Allzu oft blendet sie die enorme soziale Ungleichheit aus, die von den Klimafolgen noch verschärft wird. Anpassungspolitik müsste diejenigen ins Zentrum stellen, die am stärksten betroffen sind, und auf gute Lebensverhältnisse für alle zielen. Dafür muss sie die engen Grenzen des »realpolitisch Möglichen« sprengen und Ressourcen mobilisieren, die der Aufgabe angemessen sind. Wenn Anpassung nicht Teil einer grundlegenden sozial-ökologischen Transformation wird, wird sie für den Großteil der Menschen scheitern und soziale Spaltungen weiter vertiefen.
Die herrschende Anpassung
Die herrschenden Politiken der Anpassung werden diesen Herausforderungen nicht gerecht. Die klimatischen Veränderungen haben nicht nur graduelle Auswirkungen, sie werden unsere Produktions- und Reproduktionsverhältnisse grundlegend beeinträchtigen. Im globalen Süden sind die sozialen Verwerfungen infolge der Klimakrise bereits deutlicher zu erkennen. Krisen und Konflikte, Armut und Ungleichheit verschärfen die Auswirkungen von Klimafolgen und beeinträchtigen die Anpassungsfähigkeit von Menschen und Gesellschaften. Die Klimagerechtigkeitsbewegung im globalen Süden fordert daher in erster Linie Reparationen für die »Klimaschulden« des globalen Nordens, dessen fossilistisches Produktionsmodell und hegemoniale Lebensweise für den Großteil der globalen Emissionen verantwortlich sind und waren. Doch stattdessen dominieren Abschottung und Externalisierung – die Regierungen der nördlichen Industrieländer weisen nicht nur Menschen zurück, die vor unhaltbaren Lebensverhältnissen fliehen, sondern auch ihre historische Verantwortung und die Forderung nach globaler Umverteilung. Die reichsten Länder geben inzwischen mindestens doppelt so viel für Grenzsicherung und Migrationsabwehr aus wie für die Klimafinanzierung (vgl. Buxton in diesem Heft). Und zur Absicherung von Schäden und Verlusten werden marktbasierte individuelle Versicherungsmodelle propagiert (vgl. Nera-Lauron in diesem Heft).
Zwar wird auch hierzulande die Dringlichkeit des Themas allmählich erkannt. Doch die politischen Antworten greifen zu kurz. Im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie (DAS) erarbeiten Behörden und wissenschaftliche Netzwerke unter Leitung des Umweltministeriums seit 17 Jahren detaillierte Risikoanalysen – von der Land- und Forstwirtschaft über den Verkehr bis zur Gesundheitsversorgung. Die Aktionspläne versammeln umfangreiche Empfehlungen, die Kommunen werden angehalten, lokale Bedarfe zu ermitteln und Pläne vorzulegen, was auch vielerorts geschieht. Doch der Prozess stockt auf unterschiedlichen Ebenen und weist deutliche Leerstellen auf.
Die Maßnahmen bleiben nicht nur im Umfang weit hinter dem – formulierten und realen – Handlungsbedarf zurück, sie werden zudem in dem vermachteten und bürokratischen Handlungsrahmen von Kommunalregierungen und Verwaltungen ausgebremst. Angesichts der Größenordnung des Problems wäre eine Investitionsoffensive vonnöten, die die Infrastrukturen der Wasserwirtschaft, des Verkehrs, des Katastrophenschutzes, der Gesundheitsversorgung und Stadtentwicklung an die neuen klimatischen Risiken anpasst, und zwar so schnell wie möglich. Doch ein solcher Aufbruch ist nicht zu erkennen. Es fehlt an Personal und Finanzmitteln, die großen Aufgaben sind unter den Bedingungen prekärer Kommunalfinanzen kaum umsetzbar (vgl. Tebje in diesem Heft). Während man Aktionspläne verfasst, die allmählich in die politischen Apparate sickern sollen, werden gleichzeitig anderswo Fakten geschaffen: Es wird weiterhin versiegelt, es werden Autobahnen ausgebaut und Glastürme hochgezogen (vgl. Witt in diesem Heft).
Zudem konzentriert sich die Deutsche Anpassungsstrategie auf technische Maßnahmen wie Deichbauten, Abwassersysteme und Baunormen, die die Wirkung von Klimarisiken abmildern sollen. Andere Handlungsfelder in der Sozial-, Gesundheits-, Wohnungs- oder Stadtentwicklungspolitik werden jedoch kaum berücksichtigt, obwohl sie unmittelbar Einfluss haben auf die Auswirkungen der Klimafolgen. Die sozialen Determinanten der Vulnerabilität, der Verwundbarkeit durch die Folgen des Klimawandels, wurden in den Risikoanalysen erst spät überhaupt berücksichtigt und bleiben auch heute hinter einem ganzheitlichen Verständnis von Anpassung zurück, wie es etwa in den Berichten des Weltklimarates (IPCC) formuliert wird. Maßnahmen ›impliziter‹ Anpassung, die auf den Schutz von einkommensarmen und besonders gefährdeten Personen zielen – etwa mieter*innenfreundliche Finanzierungskonzepte für energetische Sanierung – werden ausgeklammert. Diese Engführung ist ein folgenschwerer Fehler. Denn auch innerhalb der reichen Länder treffen Umweltrisiken nicht alle gleich: Es sind die dicht bebauten, verkehrsbelasteten Innenstadtquartiere, die unsanierten Wohnungen ohne Grünflächen, wo Smog und Hitzestau am größten sind. Dass insbesondere Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen, ältere, gesundheitlich beeinträchtigte oder auch behinderte Menschen leiden, wenn soziale Dienstleistungen ausgedünnt werden, ist nicht neu und als »Krise der Reproduktion« analysiert worden. Mit der Zuspitzung der Klimafolgen wird sich auch diese Krise vertiefen. Anpassung müsste hier gezielt entgegensteuern und Fragen der Wohnungs- und Gesundheitspolitik, der sozialen Sicherungssysteme, der demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und die Eigentumsfrage mitberücksichtigen. Davon ist die DAS weit entfernt.
Anpassung, die Ungleichheit verschärft
Wenn Anpassungspolitik lediglich auf technische Maßnahmen setzt und den breiteren Kontext ihres Wirkens ausblendet, kann sie den Verteilungswirkungen der Klimakrise nicht begegnen und droht die Ungleichheit noch zu verstärken. Selbst der Weltklimarat moniert, dass eine »Anpassungspolitik, die nicht die negativen Auswirkungen für unterschiedliche soziale Gruppen in Betracht zieht, […] zu erhöhter Verwundbarkeit führen […] und Ungleichheit verschärfen [kann]« (IPCC 2022: 29, eigene Übersetzung). Ein Blick auf die Stadt verdeutlicht das: Auch sinnvolle Maßnahmen der Klimaanpassung wie die Entsiegelung von Grünflächen und energetische Sanierungen können auf einem deregulierten Wohnungsmarkt soziale Segregation verschärfen. Die Schaffung verkehrsberuhigter »grüner Zonen« kann zur Aufwertung von Quartieren beitragen und zur weiteren Verdrängung von ärmeren Bewohner*innen führen. Isabelle Angueolvski hat die segregierende Wirkung städtischer Klimaanpassung in unterschiedlichen Ländern und Städten analysiert und beschreibt eine »Green Gentrification«, die im Extremfall »luxuriöse klimaresiliente Elitegettos für die Privilegierten« hervorbringen könne (vgl. Anguelovski/Pellow in LuXemburg-Online). Städtische Anpassungspolitik ignoriert meist, dass Resilienz auch eine Klassenfrage ist, und stützt stattdessen die Tech- und Immobilienfirmen als Treiber von Wachstum. Häufig wird top-down agiert und die Interessen von Betroffenen werden ignoriert. Im globalen Süden gibt es Infrastrukturmaßnahmen, die im Namen der Klimaanpassung zur Vertreibung von Bevölkerungsgruppen geführt und deren Verwundbarkeit noch erhöht haben (vgl. Yanez in diesem Heft). Auch im Zuge von Katastrophenhilfe und Wiederaufbau kommt es häufig zur weiteren Privatisierung von Land und zu verschärfter Segregation, wenn nicht alle ehemaligen Bewohner*innen es sich leisten können, ihre Existenzen neu aufzubauen, oder gar gezielt umgesiedelt werden, wie beispielsweise in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina 2005.
Ist eine andere Politik der Anpassung möglich?
Dass die herrschende Anpassungspolitik den unterschiedlichen Dimensionen des Problems kaum gerecht wird, dürfte auch damit zusammenhängen, dass sie auf soziale und physische Infrastrukturen aufbaut, die durch neoliberale Kahlschlagpolitik jahrzehntelang heruntergewirtschaftet wurden. Es kann daher kaum überraschen, dass es in den staatlichen Apparaten auch an personellen Kapazitäten und den damit verbundenen Wissensbeständen fehlt, die für eine effektive Klimaanpassung erforderlich wären. Anpassungspolitik ist aber wesentlich Infrastrukturpolitik und kann folglich nur durch öffentliche Programme und Investitionen angemessen betrieben werden. Wenn diese notwendigen Maßnahmen ausbleiben oder strukturell versperrt sind – was heißt das für die Hebelpunkte, Möglichkeiten und Grenzen einer linken Anpassungspolitik?
Die absehbaren Verwerfungen infolge der Klimakrise werden zu erheblichen Legitimationsproblemen der herrschenden Politik und des kapitalistischen Staates führen. Sie werden innergesellschaftlich und international so einschneidend sein, dass die existierenden Institutionen kaum mehr in der Lage sein werden, die Konflikte zu prozessieren, die sich daran entzünden. Der Widerspruch zwischen der Akkumulations- und der Legitimationsfunktion des Staates, also zwischen der Aufgabe, einerseits die Verwertungsbedingungen für das Kapital zu organisieren und andererseits die Zustimmung zu einer strukturell ungleichen Gesellschaftsordnung abzusichern, wird sich verschärfen. Die Frage der Legitimation, verbunden mit der Frage nach der Effektivität von Politik, stellt sich damit immer dringlicher. Das spielt bekanntlich nicht automatisch der Linken in die Hände. Es eröffnet aber – wenn die Linke sich nicht unvorbereitet davon überraschen lässt – die Möglichkeit, in einem radikal-reformistischen Sinne zu intervenieren: mit Maßnahmen, die den Schutz und die Lebensbedingungen der Vielen konkret verbessern. Strategisch sollte daher genau überlegt werden, welche Maßnahmen im Fokus einer progressiven Anpassungspolitik in den kommenden Jahren stehen sollten und welche Bündnisse für die Durchsetzung der jeweiligen Maßnahmen erforderlich wären, um diesen eine reale Durchsetzungsperspektive zu geben.
Dafür müssen jedoch die staatlichen und gesellschaftlichen Kapazitäten der Klimaanpassung wieder oder neu aufgebaut werden. Gleichzeitig müssen die strukturellen Grenzen, an die solche Bemühungen im kapitalistischen Staat notwendigerweise stoßen, reflektiert werden. Entscheidend wäre es unter anderem, den Kampf auch um die staatlichen Institutionen der Anpassung aufzunehmen. Im Bündnis mit progressiven Akteuren in den staatlichen Apparaten (z. B. im Umweltministerium, im Umweltbundesamt, in vielen Kommunalverwaltungen) gilt es, die Grenzen des Machbaren zu verschieben. Das geht allerdings nur, wenn entsprechende Forderungen auch von sozialen Bewegungen mit Nachdruck verfolgt werden und ein politischer Druck entsteht, der dafür Räume öffnet. Zwar ist die Klimabewegung im globalen Norden in den letzten Jahren deutlich erstarkt, sie konzentriert sich aber primär – und im (berechtigten) Interesse künftiger Generationen – auf die Defizite beim Klimaschutz. Anpassungsfragen lassen sich demgegenüber viel schwerer politisieren. Klimagerechtigkeit müsste im Feld der Anpassungspolitik erst als zentrale Forderung zur Geltung gebracht werden. Darin liegt eine Herausforderung, aber auch eine Möglichkeit, das Feld der Anpassungspolitik von links zu besetzen. Wie in kaum einem anderen Bereich wird hier die ökologische als soziale und internationalistische Frage sichtbar. Die gesellschaftliche Linke muss Anpassung daher als Richtungsfrage stellen: Geht es primär darum, die sozial-ökologisch destruktiven Folgen einer Produktionsweise abzufedern, ohne deren Mechanismen infrage zu stellen? Oder begreifen wir Anpassung als Einstieg in den grundlegenden Umbau dieser Gesellschaft? In diese Auseinandersetzung muss sich die Linke mit konkreten Konzepten solidarischer Anpassungspolitik einmischen.
Das ist schwierig, beinhaltet aber auch eine Chance: Durch die massiven klimatischen Umbrüche wird jedes realistisch-realpolitische ›Weiter so‹ der Realität völlig unangemessen. Nur durch tiefgreifende Veränderungen in der Produktions- und Reproduktionsweise, in den Eigentumsverhältnissen, der demokratischen Teilhabe und mit einer internationalistischen Perspektive kann tatsächlich eine Klimaanpassung im Sinne der Vielen gelingen. Dafür zu streiten, könnte in Zukunft zentral sein für die Erneuerung der gesellschaftlichen und politischen Linken.
Linke Klimafolgenanpassung will mehr!
Klimafolgenanpassung wäre aus einer linken Perspektive daher umfassend zu begreifen: Neben der ›expliziten‹ Anpassung wäre – als differentia specifica linker Politik – die ›implizite‹ Anpassung zu stärken. Explizite Maßnahmen sind primär baulicher und technischer Art: Deiche werden erhöht, Flächen entsiegelt, Kühlräume geschaffen, neue Pflanzensorten gezüchtet oder Schwammstadt-Konzepte umgesetzt. Das alles ist unabdingbar. Es kann Leben retten und dazu beitragen, dass besonders von der Klimakrise betroffene Räume bewohnbar bleiben.
Implizite Anpassung geht darüber hinaus, weil sie die sozialen Verhältnisse in den Blick nimmt, die die Auswirkungen der Klimakrise bestimmen und insgesamt für ungleiche Lebensverhältnisse verantwortlich sind. Sie verbindet den Schutz vor den nicht mehr vermeidbaren Auswirkungen der Klimakrise und den Fokus auf die am stärksten Betroffenen mit der Frage, wie wir eigentlich leben wollen und können.
All das, was für einen effektiven Schutz vor den Folgen der Klimakrise notwendig ist, sind Dinge, für die aus linker Perspektive ohnehin gestritten wird, weil sie die Gesellschaft egalitärer machen. Dazu zählen die energetische Sanierung des sozialen Wohnungsbaus, der Ausbau des Gesundheitswesens, die Förderung einer ernährungssouveränen ökologischen Landwirtschaft mit an die Klimakrise angepassten regionalen Anbaumethoden und solidarischen Stadt-Umland-Beziehungen bei der Versorgung mit Lebensmitteln ebenso wie die Förderung von öffentlichen Orten und Gemeinschaftsgärten. Global sind ein Ende der Abschottungspolitik und offene Grenzen für (Klima-)Migrant*innen und -Flüchtlinge ebenso wichtig wie die massive Unterstützung des globalen Südens für die Linderung oder Behebung von Klimaschäden sowie der Verzicht auf eine Klimapolitik, die Anpassungskapazitäten im globalen Süden untergräbt, wie etwa die Förderung der ressourcenintensiven Elektroautomobilität. Konkrete Maßnahmen zur Umweltgerechtigkeit reichen vom Rückbau großer Straßen, an denen meist die Ärmeren wohnen, zugunsten von Grünflächen und dem gleichzeitigen Ausbau des öffentlichen Transports bis zu besseren Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Bau- und Landwirtschaft, die eine hohe Vulnerabilität gegenüber ökologischen Krisenphänomenen aufweisen. Schließlich geht es auch um eine Arbeitszeitverkürzung, die die Voraussetzungen für die immer wichtigere sorgende Arbeit an Mensch und Natur verbessert.
Das alles sind Essentials linker Politik. Sie sind nicht neu, aber sie erhalten eine besondere Dringlichkeit durch die notwendige Anpassung an die Klimafolgen und die zunehmend notwendigen Reparaturarbeiten angesichts massiver Umweltschäden. Von der Linken immer schon geforderte Veränderungen werden nun zum Schlüssel einer solidarischen Resilienz gegen die Klimakrise. Die »egalitären Aspekte des Stadtlebens [bieten] die besten soziologischen und physikalischen Voraussetzungen für Ressourcenschonung und Reduktion des CO2-Ausstoßes« (Davis 2010; vgl. IPCC-Bericht 2022), schrieb Mike Davis vor über zehn Jahren. Das lässt sich umstandslos auf die Klimaanpassung und auf ländliche Regionen übertragen. Es markiert den Horizont einer linken Anpassungspolitik, in der sich der Abbau von sozialer Herrschaft und der Abbau von Naturbeherrschung wechselseitig bedingen und gemeinsam die Grundlage für eine solidarische Bewältigung der Klimakrise schaffen – dafür, dass im Schlechten etwas Besseres entstehen kann, und zwar von unten.
Was dürfen wir hoffen?
Zoomen wir nochmal in den urbanen Hitzesommer 2050, aber diesmal unter anderen Vorzeichen. Was wäre möglich, wenn Anpassungspolitik tatsächlich die Lebensverhältnisse der Vielen ins Zentrum stellte? Natürlich würden die tropischen Nächte weiterhin viele Menschen gesundheitlich an ihre Grenzen bringen. Doch es wären zumindest Frischluftzufuhr und Kühlung für alle garantiert. Es wären Vorkehrungen getroffen worden – insbesondere für die am stärksten betroffenen Gruppen: Eine öffentliche Warn-App liefert dann täglich aktuelle Klimadaten, empfiehlt individuelle Schutzmaßnahmen und informiert über die am nächsten gelegenen Kühlräume, öffentlichen Wasserfontänen und Trinkbrunnen. Durch Entsiegelung würden gezielt Frischluftschneisen geschaffen, Brachen zur Nutzung an soziale und kulturelle Projekte übergeben. Als Neubau sticht dann insbesondere der öffentliche soziale Wohnungsbau hervor. Hier wurde Wohnraum für alle geschaffen, der modellhaft klimaangepasstes Wohnen zeigt: Der Energie- und Kühlungsbedarf ist durch intelligente Architektur und natürliche Baustoffe gering, Fassadenbegrünung wirkt als Kühlung. Auf dem Dach sind Grünflächen, die auch der Naherholung und Begegnung dienen. Viele Großsiedlungen wurden in den 2020er Jahren saniert. Mit der Vergesellschaftung der Wohnungsbestände wurden die Mieten auf niedrigem Niveau gedeckelt. Auf Quartiersebene und auf kommunaler Ebene gibt es demokratische Strukturen, die über weitere Baumaßnahmen und die gemeinschaftliche Nutzung entscheiden. Kühlräume, aber auch andere Gebäude wie etwa Kirchen, stehen allen offen, mit besonderen Kapazitäten für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, die aktiv angesprochen und bei Bedarf dorthin begleitet werden. Freibäder sind kostenfrei. Der Autoverkehr ist aus den Innenstädten verbannt, was den Hitzestau bremst und die Luftqualität verbessert. Die Straßen wurden zurückgebaut oder zu sicheren und breiten Fahrradstraßen. Parkhäuser und Parkplätze wurden in Grünanlagen und Gemeinschaftsgärten umgewandelt. Viele Menschen bevorzugen dennoch, außerhalb der großen Städte zu wohnen, da es klimatisch wesentlich angenehmer ist. Schnelle und zuverlässige öffentliche Verkehrsverbindungen machen es möglich.
Natürlich ist auch diese Welt keine heile Welt. Extremwetterereignisse häufen sich, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft sind massiv im Umbruch, immer wieder gilt es, auf neue Krisen zu reagieren und Ausfälle und Schäden zu kompensieren. Die Länder des globalen Südens, die mit schweren sozialen Verwerfungen zu kämpfen haben, erhalten umfangreiche Reparationszahlungen von den ehemaligen Profiteuren des fossilen Kapitalismus im globalen Norden. Darüber hinaus gibt es einen dauerhaften Mechanismus der kollektiven Haftung und solidarischen Umverteilung von Krisenkosten weltweit. Nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Klimaanpassung sowie Schäden und Verluste werden umfangreiche Ressourcen zur Verfügung gestellt, über die selbstbestimmt und demokratisch verfügt wird. In den Gesellschaften des globalen Südens fließen massive öffentliche Investitionen in den Ausbau von technischen und sozialen Infrastrukturen und in den Aufbau sozialer Sicherungsnetze zum Schutz der Menschen, deren Existenzen von den Klimafolgen bedroht oder zerstört sind. Dort wo Anpassung schwer oder unmöglich ist, haben Migrationsbewegungen zugenommen. Den Menschen Bewegungsfreiheit zu ermöglichen und eine neue Existenz zu sichern, ist eine zentrale politische Aufgabe.
Spätestens hier wird die Reichweite der skizzierten Utopie deutlich. Eine Welt, in der Klimafolgen solidarisch getragen und Anpassung im Sinne aller umgesetzt wird, wäre eine ganz andere, eine radikal veränderte Welt. Der Weg dahin kann nur ein internationalistischer sein. Ohne globale Perspektive ist keine solidarische Klimaanpassung möglich. Das Schlaglicht auf die klimagerechte Stadt im Sommer 2050 zeigt, was zu gewinnen ist: eine Perspektive der Hoffnung, die die Herausforderungen annimmt und nicht verdrängt, und eine Zukunft, für die es zu kämpfen lohnt.