Nun ja. Deshalb hat sich wohl auch die Hühnerstallvariante durchgesetzt. Seither hat Oma viel erlebt und durchgemacht: Schauspielkarriere in Hollywood, Motorradführerschein, Anschaffung eines Himmelbetts etc. Wehmütig denken wir 2013 zurück an Omas Klosettpapier mit Blümchen: Zu teuer. Wir erleben ihr Revival im neuen Globalisierungs-Look: Oma ist fit, beruflich flexibel und entgeltpunktemäßig auf Zack. So donnert es von allen Seiten: Meine Oma hat nen Mini-Job bei Aldi, bei Aldi, bei Aldi Meine Oma hat nen Mini-Job bei Aldi Und am Wochenende putzt sie bei Frau Schmidt.

Alarmierende Zahlen

Grundgesichert im Ruhestand leben RentnerInnen in Deutschland momentan von durchschnittlich 707 Euro. Die »Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung« heißt offenbar so, weil sie der Grund dafür ist, dass sich immer mehr RentnerInnen ihren Lebensunterhalt mit Mini-Jobs sichern müssen. Seit In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuches XII (SGB XII) am 1. Januar 2003 ist die Anzahl der Grundsicherungsbeziehenden allein bis zum Jahr 2010 um 80 Prozent gestiegen. Von ehemals 439 000 Menschen im Jahr 2003 auf 797 000 im Jahr 2010. Davon waren 436 210 älter als 65 Jahre, ihre Zahl ist in diesem Zeitraum um 69 Prozent gestiegen (Statistisches Bundesamt 2012, eigene Berechnungen). Sie sind die amtlich in Altersarmut Lebenden. Die offizielle Quote für Armutsrisiko bei über 65-Jährigen lag im Jahr 2010 bei 14,2 Prozent (Bundestag 2013, 303). Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte derjenigen, die einen Anspruch auf die Grundsicherung im Alter haben, diese nicht beantragen – Stolz oder Scham halten sie davon ab. Die Dunkelziffer liegt zwischen 60 und 68 Prozent und somit irgendwo zwischen 1,1 und 1,4 Millionen (vgl. Becker 2012). Die Rentenzahlbeträge sinken stetig. Im Jahr 2000 erhielten langjährig Versicherte, also jene mit 35 Versicherungsjahren und mehr, noch durchschnittlich 1 021 Euro Rente überwiesen, im Jahr 2011 waren es nur noch 953 Euro. Jeder Jahrgang, der neu in Rente geht, erhält im Schnitt weniger Rente als der Jahrgang zuvor. Wen verwundert es da noch, dass auch die Anzahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten im Rentenalter zwischen den Jahren 2000 und 2011 um knapp 60 Prozent (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2012) gestiegen ist? Warum ist das so? In der Bundesrepublik Deutschland haben wir es bei der Rentenversicherung mit dem Prinzip der Teilhabeäquivalenz zu tun. Rentenansprüche sind also erstens davon abhängig, wie hoch oder eben gering das beitragspflichtige Arbeitsentgelt der oder des Versicherten gewesen ist. Relevant ist dabei das sozialversicherungspflichtige Einkommen des gesamten Arbeitslebens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. In manch anderen europäischen Staaten ist das anders geregelt. In Spanien z.B. sind nur die letzten 15 Jahre vor Renteneintritt von Belang. Zweitens ist die Dauer der versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zur Berechnung von Rentenansprüchen entscheidend. Hier wird deutlich, dass die relative Einkommensposition auf dem Arbeitsmarkt sich später auch in der Rente widerspiegelt. Die verheerenden Entscheidungen der SPD-Grünen-Regierung im Hinblick auf den Arbeitsmarkt führten zur Explosion des Niedriglohnsektors, zu Lohndumping, schlecht bezahlter Leiharbeit, Minijobs usw. Inzwischen wird fast ein Viertel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor ausgebeutet. Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche Stundenlohn im Niedriglohnsektor bei 6,68 Euro in Westdeutschland und 6,52 Euro im Osten (vgl. Kalina/Weinkopf 2012). Niedrige Löhne bedeuten demnach per se niedrige Renten. Für Langzeiterwerbslose in Hartz IV haben Union und FDP jegliche Beitragszahlung in die Rentenversicherung gestrichen. In Zukunft werden Menschen mit Phasen längerer Erwerbslosigkeit also zwangsläufig in der Altersarmut landen, was besonders Ostdeutsche betreffen wird.

Du willst mich wohl verriestern?!

Die SPD-Grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder ist auch für die Riester-Reform von 2001 verantwortlich. In ihrem Kern bedeutet sie die Abschaffung der Lebensstandardsicherung als Prinzip der Altersvorsorge. Ersetzt wurde sie durch das Prinzip der Beitragssatzstabilität – ein Paradigmenwechsel mit harten Folgen. Das Rentenniveau sinkt seitdem von Jahr zu Jahr. Aber: Stabile Beitragssätze könnten auch durch höhere Einnahmen erzielt werden. Zum Beispiel könnten SpitzenverdienerInnen auch zu SpitzenbeitragszahlerInnen gemacht werden, indem die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würde. Auch könnten Minijobs ab der ersten Stunde sozialversicherungspflichtig sein oder ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden. Die Lohneinkommen der Beschäftigten könnten insgesamt gestärkt und mehr gute Arbeit geschaffen werden. All dies ist bis dato nicht geschehen. Stattdessen wurde der andere Weg eingeschlagen, die Ausgaben für die Renten zu senken. Durch die Einführung von Dämpfungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel wird das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente vor Steuern von knapp 53 Prozent im Jahr 2000 auf bis zu 43 Prozent im Jahr 2030 sinken. So steht es als Möglichkeit schon heute im Gesetz. Die Renten verlieren damit ein Fünftel ihres Wertes. Zwei kurze konkrete Beispiele: Eine Rente von 1 000 Euro ist dann nur noch 800 Euro wert. Bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 2703 Euro monatlich bedeutet diese Niveausenkung, dass in Zukunft 35 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt werden muss, um eine Rente zu erhalten, die über dem Grundsicherungsniveau liegt. Heute sind es 26 Jahre. Es entsteht also nach und nach eine immer größer werdende Versorgungslücke. Um diese zu schließen, wurde ein simples, aber sinnloses Konzept erarbeitet. Alle Versicherten sollen neben der gesetzlichen Rente noch vier Prozent ihres Bruttoeinkommens in eine Riester-Rente einzahlen. Diese sollte den Niveauverlust der gesetzlichen Rente sogar überkompensieren. Sie wird aber die Lücke in der Altersvorsorge nicht einmal annähernd schließen können. Gerade einmal zwischen 37 und 41 Prozent der potenziellen SparerInnen riestern, d.h. die Mehrheit derer, die eine Rentenlücke zu füllen haben, tut das nicht: Ihnen fehlt schlicht das Geld für die Prämien. Aber auch bei den Menschen, die einen Vertrag haben, wird das Versprechen in den meisten Fällen nicht aufgehen. Denn ein Fünftel der Verträge ruht und viele Verträge werden nicht mit dem vollen für die Zulagenförderung nötigen Betrag bespart. Hohe Verwaltungskosten, überhöhte Langlebigkeitsannahmen, miese Renditen und die mangelnde Dynamisierung der Leistungen machen Riestern nicht viel besser als den guten alten Sparstrumpf. Dafür hat sich die Riester-Rente in erster Linie als ein gigantisches Förderprogramm für die Versicherungswirtschaft erwiesen. Zwölf Milliarden Euro an Steuergeldern sind zwischen 2002 und 2012 in Form von Subventionen in die Riester-Rente geflossen, elf Milliarden davon an die Versicherer, eine Milliarde an die Versicherten. Die Versicherungsunternehmen haben bisher etwa 36 Milliarden Euro an der Verriesterung der Versicherten verdient (vgl. Kleine Anfrage 2011). Die Unternehmen dankten dies mit großzügigen Parteispenden.1

Gekürzt und Abgeschlagen

Auch bei den Invaliden-Renten griff man zu. Die Berufsunfähigkeitsrente wurde abgeschafft und für alle ab Jahrgang 1961 eine Erwerbsminderungsrente eingeführt. Seither können Erwerbsgeminderte frühestens mit 63 Jahren eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente beziehen. Jeder einzelne Monat früher wird mit Abschlägen bestraft. Sie betragen im Schnitt 76,61 Euro (vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund 2012). Die durchschnittliche Rente bei voller Erwerbsminderung beläuft sich dabei mittlerweile nur noch auf rund 604 Euro. Damit liegt sie noch unter dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau. Auch bei der »Rente erst ab 67« handelt es sich um ein drastisches Kürzungsprogramm. Die wenigsten Menschen, nur 14,2 Prozent der 64-Jährigen, schaffen es, bis 65 sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein. Vollzeitbeschäftigt sind unter den 60- bis 64-Jährigen nur 19,4 Prozent, bei den Frauen sind es sogar nur 5,9 Prozent. Die »Rente erst ab 67« bedeutet mehr Abschläge (bis zu 14,4 Prozent) für eine noch größere Personengruppe und somit Kürzungen. Diese Zahlen und die dahinter stehenden realen Entwicklungen sind schon bei einigen angekommen und deshalb ist die Rentenpolitik auch ein großes Wahlkampfthema.

Rentenwahljahr 2013 oder das Ende vom Lied

Im Bundestagswahljahr 2013 nun schlagen fast alle Fraktionen mit vermeintlich neuen Rentenkonzepten auf. Werfen wir zunächst einen Blick auf die zukünftigen verarmten RentnerInnen. Es sind Menschen, die heute im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, Alleinerziehende, Erwerbsgeminderte, Langzeitarbeitslose und Solo-Selbstständige. Das betrifft derzeit gut 22 Prozent aller Erwerbstätigen. In Ostdeutschland werden die Renten wegen der rund doppelt so hohen Arbeitslosigkeit und der vielen gebrochenen Erwerbsbiographien seit 1990 drastisch sinken. Arbeitsmarktpolitische Entscheidungen sind untrennbar verknüpft mit Fragen nach Altersarmut und Konzepten, die ihr entgegenwirken. Zunächst einmal sind Gute Arbeit und Gute Löhne Voraussetzungen für eine Gute Rente, die den erarbeiteten Lebensstandard sichert. Derzeit ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von zehn Euro brutto pro Stunde hier die dringend notwendige absolute Untergrenze. Rechnet man das künftig sinkende Rentenniveau mit ein, müssten es heute eigentlich schon 11,31 Euro sein. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro ist also nicht hoch genug, um künftige Altersarmut zu verhindern. Eine weitere Kernfrage im Kampf gegen künftige Altersarmut ist das Rentenniveau: Union, FDP und Grüne wollen da nicht ran, sie halten die Absenkung des Rentenniveaus für unabdingbar (vgl. IG Metall). Die SPD will es zwar über Lohnpolitik stabilisieren, wagt sich aber nicht an die Rentenformel heran. Nur wenn die Dämpfungsfaktoren gestrichen, die Beitragssatzobergrenzen gekippt und die Unternehmen damit wieder stärker in die Verantwortung genommen werden, kann ein Rentenniveau erreicht werden, das den Lebensstandard im Alter sichert. Vergleichen wir die Konzepte von Schwarz, Gelb-blau, Pseudorot und Grün, fällt vor allem auf, dass ihnen kaum zu überwindende Hürden innewohnen: Schwarz verlangt bis zu 45 Versicherungsjahre und bis zu 35 Jahre Riester-Vorsorge o.ä. und bietet bis zu 850 Euro brutto (die »Lebensleistungsrente«). Vielleicht. Oder doch nur zehn bis 15 Euro mehr als die Grundsicherung. Man ist sich noch nicht einig. Ergebnis: Meine Oma zockt mit Pfandflaschen am Bahnhof, am Bahnhof... Gelb-blau hat kein Konzept zur Verhinderung von Altersarmut, das diesen Namen verdienen würde. Ergebnis: Meine Oma fährt Betrunkene im Taxi, im Taxi... Blassrot verlangt 40 Versicherungsjahre und 30 Beitragsjahre und bietet ebenfalls 850 Euro (»Solidarrente«). Brutto oder Netto? Ist noch unklar. Ergebnis: Meine Oma sitzt im Callcenter als Piepton, als Piepton... Grün verlangt immerhin ›nur‹ noch 30 Versicherungsjahre für 850 Euro brutto (764 Euro netto). Aber nur für künftige RentnerInnen. Ergebnis: Kein Omasong, denn die Grünen sind über Volkskalauer erhaben. Für CDU/CSU, FDP und Grüne ist die »Rente erst ab 67« alternativlos. Die LINKE hingegen fordert eine Solidarische Mindestrente, deren Kern zunächst einmal darin besteht, dass diejenigen sie bekommen, die sie brauchen. Das Ziel lautet: Niemand soll von weniger als 1 050 Euro netto im Alter leben müssen. Die »Rente erst ab 67« wird ohne Wenn und Aber abgelehnt, ebenso die ungerechten Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten. Vielmehr sollen alle Menschen ab dem 60. Lebensjahr abschlagsfrei in Rente gehen können, wenn sie 40 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Außerdem fordert die LINKE, alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, also auch BeamtInnen, Selbständige und PolitikerInnen. Mittelfristig muss ohne Beitragsbemessungsgrenze gelten: Je höher das Erwerbseinkommen, desto höher die Einzahlungen in die Rentenversicherung. Damit Umverteilungsspielraum entsteht, müssen die hohen Rentenansprüche abgeflacht werden. Auch die ArbeitgeberInnen müssen sich – wie früher – zur Hälfte an der Finanzierung einer den Lebensstandard wieder sichernden gesetzlichen Rentenversicherung beteiligen. Für die Beschäftigten wäre das unter dem Strich sogar günstiger als heute mit Riester und Betriebsrenten. MillionärInnen, Groß-ErbInnen und SpitzenverdienerInnen müssen über höhere Steuern stärker in die Pflicht genommen werden. Damit können Maßnahmen für den Solidarausgleich in der Rente finanziert werden. Die sind dringend notwendig, denn die Entwicklung ist katastrophal: Schon heute haben zum Beispiel über 120 000 Menschen, die älter als 75 Jahre sind, einen Mini-Job und weder Hühnerstall noch Motorrad. Häufig wird behauptet, die Renteneinschnitte von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb seien im Interesse der Jungen und würden sie von den Kosten der Alterung der Gesellschaft entlasten. Das Gegenteil ist der Fall: Sie müssen mehr für ihre Altersversorgung aufbringen, weil die Unternehmen sich nicht paritätisch an der Finanzierung ihrer gesamten Alterssicherung beteiligen, und erhalten später geringere Renten. Es ist also gerade auch im Interesse der Jungen, die gesetzliche Rente zu stärken und gerecht zu finanzieren. An uns allen liegt es nun, für eine zukunftsfähige und bezahlbare Solidarische Rentenversicherung einzustehen, in die alle Erwerbstätigen einzahlen. Dann kann Oma das Motorradfahren auch genießen.  

Literatur

Becker, Irene, 2012: Finanzielle Mindestsicherung und Bedürftigkeit im Alter, in: Zeitschrift für Sozialreform 2/2012, http://www.boeckler.de/impuls_2012_13_2.pdf (6.5.2013) Bundesagentur für Arbeit, 2012: Beschäftigungsstatistik: Geringfügig entlohnte Beschäftigte nach Altersgruppen. Deutschland – Zeitreihe, Nürnberg Bundestag 2013: Lebenslagen in Deutschland – Vierter Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12650, http://dip21.bundestag.de/dip21/ btd/17/126/1712650.pdf (21.5.2013) Deutsche Rentenversicherung Bund, Hg., 2012: Rentenversicherung in Zeitreihen, http://forschung.deutsche-rentenversicherung.de (6.5.2013). IG Metall, o.D.: Bausteine für den flexiblen Übergang in den Ruhestand. Gute Arbeit – gut in Rente, www.gut-in-rente. de/kampagne/broschueren-zum-download/ (21.5.2013) Kalina, Thorsten, und Claudia Weinkopf, 2012: Niedriglohnbeschäftigung 2010: Fast jede/r Vierte arbeitet für Niedriglohn, IAQ-Report 1/2012. Kleine Anfrage 2011: Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Matthias W. Birkwald »Zur lückenhaften Datenlage und anhaltenden Kritik nach 10 Jahren RiesterRente«, BT-Drs. 17/7964 v. 30.11.2011, Fragen 10 und 12. Tucholsky, Kurt alias Peter Panter, in: Die Weltbühne v. 14.12.1922 Statistisches Bundesamt, 2012: Statistik der Empfänger von Grundsicherung. Genesis Onlinedatenbank

Anmerkungen

1 Allein die Allianz AG spendet seit 2002 immer wieder Beträge in Höhe von bis zu 60 Tausend Euro an CDU und SPD und Beträge bis zu 50 Tausend an FDP und Grüne. Vgl. u.a. http://www.bundestag.de/bundestag/parteienfinanzierung/ fundstellen50000/index.html) (21.5.2013). Mit dem Parteienspendengesetz von 2002 sind erst Summen ab 50 Tausend Euro veröffentlichungspflichtig und nachvollziehbar.