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2/2013: „Es reicht“

Der gesellschaftliche Reichtum ist größer denn je – man könnte meinen: Es reicht – wäre er nicht so ungleich verteilt. Dabei geht es längst nicht nur um Geld – das aus den südlichen Krisenländern in den reichen Norden fließt, und aus den öffentlichen Haushalten in private Hände. Auch politische Souveränität, demokratische Kontrolle, Macht werden innerhalb der EU und in den Mitgliedsländern umverteilt. Mit der Austrocknung des Öffentlichen verschiebt sich außerdem der Zugang zu den Grundlagen eines guten Lebens: Gesundheit, Bildung, Wohnen – und die Verteilung von Arbeit und Zeit, auch zwischen den Geschlechtern. Umverteilung findet nicht nur von unten nach oben statt, sondern auch innerhalb einer Klasse: Gender-Pay-Gap und Elterngeld –  aber auch von kleinem zu großem Kapital.
Endlich hat die Linke in Deutschland eine offene Diskussion über Alternativen in der Krise der europäischen Integration begonnen. Anlass ist die Frage nach Sinn oder Unsinn des Ausstiegs einiger Länder aus der Währungsunion. Die Diskussion ist zwingend erforderlich. Es reicht nicht, den Beschlüssen von Troika, Rat oder Kommission jeweils eigene Vorschläge entgegenzustellen. Der Gebrauchswert der Linken muss sich konkret erweisen am realen Einfluss auf Handlungsoptionen.
Obamas Wiederwahl glich einem RorschachTest, der vielfältigen Interpretationen offen steht. Im Wahlkampf wurden auf beiden Seiten Fragen diskutiert, die auch mich zutiefst beunruhigen: Zum einen die lang anhaltende Konjunkturschwäche, deren Ende nicht absehbar ist, und zum anderen die wachsende Kluft zwischen dem reichsten einen Prozent der Bevölkerung und dem Rest. Letztere bedeutet nicht nur eine Ungleichheit der Einkommen, sondern auch der Ausgangschancen. Für mich sind dies zwei Seiten derselben Medaille: Mit der größten sozialen Ungleichheit seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ist eine stabile wirtschaftliche Erholung kurzfristig nur schwer möglich und der American Dream – der ein gutes Leben durch harte Arbeit verspricht – stirbt.
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Almosen, nein danke!

Kürzlich suchte ich in einem Spielwarengeschäft ein Geschenk aus. Der Verkäufer beriet mich sachkundig, schleppte das große Paket über den Ausgang hinaus bis zur Bushaltestelle und lehnte mein zusätzliches Entgelt mit dem Hinweis ab, bloß seine Pflicht zu tun und kein Trinkgeld zu benötigen. Seine Haltung kontrastierte meine etwas hilflose Geste, im Kleinen symbolisch umzuverteilen, was im Großen weder bei den verfügbaren Einkommen noch bei den privaten Vermögen klappt. Und schon gar nicht bei der Teilhabe an der Wirtschaft.
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Meine Oma hat nen Minijob bei Aldi

»Wir versaufen unsrer Oma ihr klein Häuschen und die erste und die zweite Hypothek« wollte Robert Steidl es im Kölner Karneval 1922 von den Gassenwänden widerhallen hören. Damit hatte er den Jahrhundertschlager komponiert Von Kurt Tucholsky wurden wir in seiner Analyse glücklicherweise darüber aufgeklärt, dass »die Hypothek selbst ja eine Schuld ist, die man unmöglich vertrinken kann – meint er doch wahrscheinlich die für die eingetragene Hypothek als Darlehn gegebene Summe, die der Schuldner oder die Schuldnerin in leichtfertiger Weise verbraucht.« (Panter 1922, 623)
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Gesundheit für alle

Längst ließen es der weltweit erzeugte Reichtum und das Wissen um die Zusammenhänge des Lebens zu, allen Menschen ein Leben in Würde und Wohlbefinden zu ermöglichen. Die Realität aber ist eine andere

Als Hugo Chávez den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« verkündete, ging ein Linksruck durch den gesamten lateinamerikanischen Kontinent. Weite Teile der Staatsapparate konnten der Kontrolle korrupter Eliten entzogen werden, Reichtum wurde umverteilt, Armut reduziert, städtische Arme und indigene Landbevölkerung ermächtigten sich in revolutionären Prozessen selbst. Die materiell-stoffliche Basis des neuen Sozialismus geriet jedoch schnell in die Kritik, basierten doch die ›revolutionären‹ Regierungen auf einer politischen Ökonomie der Extraktion. Ist dies nicht einfach eine Umverteilung der durch Raubbau an der Natur gewonnenen Ressourcen? Ein Raubbau, der im Kontext der globalen sozial-ökologischen Krise kaum ein zukunftsfähiges Projekt sein kann und in diesen Ländern hart umkämpft ist?
In dem von Miriam Lang herausgegebenen programmatischen Band2 kommt der kritische Hinweis auf »eurozentristische« Betrachtungsweisen ziemlich häufig vor, auch wenn dieses Argument keineswegs neu ist. Die unzulässige Übertragung theoretischer Kategorien und systematisch-inhaltlicher Zusammenhänge, die aus der Betrachtung europäischer Realitäten gewonnen wurden, auf außereuropäische Gesellschaften kann als Eurozentrismus qualifiziert werden. Und muss – nach der im linken Spektrum fast einhelligen Meinung – stark relativiert oder zurückgewiesen werden. Dies betrifft insbesondere die damit häufig verbundenen normativen Vorgaben.
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Umverteilen und Neuverteilen

Das Gebot der Stunde lautet »Umfairteilen«. Linke, Grüne und Sozialdemokraten ziehen mit Programmen in den Bundestagswahlkampf, in denen – mal klar und deutlich, mal eher vernuschelt – eine steuerpolitische Kehrtwende verlangt wird. Auf rund 60 Milliarden Euro verzichten die öffentlichen Kassen jährlich, seit die Schröder-Fischer-Regierung Unternehmen, Vermögenseignern und Beziehern hoher Einkommen großzügige Steuergeschenke gemacht hat. Die Folgen sind am Zustand der öffentlichen Infrastruktur zu besichtigen – und an den ausgedünnten kommunalen Dienstleistungen für jene, die auf ihre Nutzung angewiesen sind, weil sie nicht zu den Beschenkten gehören.