Dass zu Beginn des Jahres 2013 die erste wirtschaftspolitische Maßnahme des kanadischen Premierministers Stephen Harper darin bestand, weitere 250 Millionen Dollar an Subventionen in die Autoindustrie zu pumpen, sollte eigentlich ein paar sehr grundsätzliche Fragen aufwerfen. Die schwindelerregenden Freihandelsparolen der letzten Jahrzehnte betonten oft die wirtschaftlichen Vorzüge, die mit der Befreiung multinationaler Konzerne aus den engen nationalstaatlichen Grenzen verbunden sind, wenn sie global expandieren. Doch tatsächlich wurde diese Globalisierung der Wirtschaft dadurch ermöglicht, dass sich die Unternehmen auf die Unterstützung durch sehr viel mehr Staaten als je zuvor verlassen konnten. Und diese staatliche Unterstützung sicherten sie sich zur selben Zeit, in der sie die Keule der Wettbewerbsfähigkeit schwangen, um ihre Beschäftigten zu disziplinieren und sie bei Bedarf vor die Tür zu setzen.

Der Automobilindustrie in der kanadischen Provinz Ontario ist diese Geschichte nur zu vertraut. Erst kurz vor Weihnachten konnte man dies wieder einmal deutlich sehen, als General Motors ankündigte, die Produktion des Camaro aus dem Werk in Oshawa abzuziehen. Dies geschah, obwohl die kanadische Regierung sich in den vergangenen Jahren an der Rettung des Unternehmens beteiligt und die Gewerkschaft Canadian Auto Workers (CAW) mehrfach Zugeständnisse gemacht hatte. Ein weiteres Beispiel ist die Ende Januar geäußerte Drohung von GM, die Produktion vom CAMI-Werk[1] in Ingersoll in die USA oder nach Mexiko zu verlagern, es sei denn die Gewerkschaft verhandelt den noch sieben Monate geltenden Tarifvertrag sofort neu und gewährt dieselben Konzessionen – vor allem niedrigere Löhne und Sozialabgaben für alle Neueinstellungen – wie in anderen Werken des Konzerns.

GM Kanada

Die Pläne von GM für die Oshawa- und die CAMI-Werke müssen in diesem Zusammenhang betrachtet werden. In den Umfragen des Marktforschungsunternehmen J.D. Power and Associates rangierten die kanadischen GM-Werke in den letzten zehn Jahren sechsmal unter den Besten des Westens. Und das Wirtschaftsförderungsbüro der kanadischen Regierung, Investment Canada, behauptet stolz, dass die Arbeiter in der kanadischen Automobilindustrie „hoch qualifiziert“ und für „ihre starke Arbeitsethik, geringe Fluktuation, ihre Verlässlichkeit, Qualität und Produktivität“ bekannt seien.[2]

Doch wer glaubt, dass Subventionen und Zugeständnisse wirklich Arbeitsplätze gesichert hätten, hat weit gefehlt. Seit 2001 sank die Beschäftigtenzahl im kanadischen Automobilsektor von 119000 auf 66000, was sich negativ auf die gesamte Wirtschaft auswirkte. Bei den geschlossenen Werken handelte es sich um Fabriken mit modernster Ausstattung, in denen Arbeiter mit wertvollen und breit anwendbaren Qualifikationen beschäftigt waren. Es wäre möglich gewesen, diese guten Voraussetzungen für wichtige industrielle Konversionsprojekte zu nutzen und auf ernst zu nehmende Weise auf die Umweltkrise zu reagieren.

Mit den Zugeständnissen folgt die CWA natürlich dem Vorbild der US-amerikanischen United Auto Workers (UAW). Doch nur selten wird gesehen, dass Unternehmen in den USA jährlich – allen neoliberalen Reden zum Trotz – Subventionen in Höhe von mehr als 80 Milliarden Dollar erhalten (New York Times, 1.12.2012).[3] Multinationale Konzerne erhielten selbst dann noch Subventionen, als soziale Dienste abgebaut wurden und hingenommen wurde, dass die Infrastruktur zerfällt.

Gesamtwirtschaftlich betrachtet dadurch jedoch keine Arbeitsplätze geschaffen. Die ausländischen Unternehmen trafen ihre Investitionsentscheidungen im Rahmen ihrer jeweiligen globalen Strategie. Und die amerikanischen Unternehmen, die ihre Produktion innerhalb der USA verlagern wollten, erkannten, dass sie besser auf öffentliche Gelder zugreifen können, wenn sie Regierungen auf Landes- und kommunaler Ebene gegeneinander ausspielen. Auf diese Weise wurden Hunderte Autofabriken geschlossen, während gleichzeitig Subventionen an viele eben dieser Unternehmen flossen, damit sie neue Werke errichten konnten.

Wie weit Regierungen in den USA gehen, um sich der Wirtschaft dienstbar zu machen, konnte man auch bei den Bankenrettungen sehen. Dabei handelte es sich nicht nur um eine Frage der Krisenintervention. So aktiv wie sich der amerikanische Staat in der Finanzkrise als letzte Instanz der Kreditvergabe gab, war er bereits vor der Krise bei der Regulation der Finanzmärkte gewesen. Gemessen an der Anzahl der Regulierungsbehörden, Gesetze oder der Seitenstärke der Wettbewerbsregeln, war der US-Finanzsektor weltweit wahrscheinlich der am stärksten regulierte Finanzmarkt.

Die USA und der globale Kapitalismus

Doch war dies eine Form der Regulierung, die in den letzten Jahrzehnten die massive Ausdehnung des Finanzkapitals beförderte und eng mit der Rolle verbunden war, die die US-Regierungen dabei gespielt haben, den Kapitalismus weltweit durchzusetzen. Statt sich angesichts globaler Märkte von staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft zurückzuziehen, hat der amerikanische Staat sie höchst aktiv betrieben, wie er ebenso aktiv die Krisen eingedämmt hat, die sie wiederholt hervorgerufen haben.

Die Rettung der Automobilindustrie fand statt, indem die USA und Kanada große Teile dieser Konzerne in ihren Besitz brachten. Dennoch haben diese Regierungen alles getan, um sich aus wesentlichen Investitionsentscheidungen herauszuhalten, und dies trotz mancher Unverfrorenheit einiger der privaten Eigentümer, die von der Rettung am meisten profitierten. So drohte der Hedgefonds, der größere Teile der Schulden des Autozulieferers Delphi besaß, GM damit, die Zulieferung wesentlicher Autoteile einzustellen, und pochte gleichzeitig auf Stellenabbau. Steve Rattner, Investor und Berater in Obamas Automobil-Taskforce, verglich dies mit „erpresserischen Forderungen der Korsaren“.[4]

Die häufig vorgebrachte dreiste Begründung, dass sich Unternehmen auf diese Weise verhalten, um ihrer Pflicht nachzukommen, ‚den Shareholder-Value zu maximieren‘, hat den Beigeschmack der alten Mafiosi-Art, in der Tante-Emma-Läden ausgenommen wurden. In guten wie in schlechten Zeiten lässt sich an dem nicht enden wollenden Fluss von Subventionen und Zugeständnissen ganz klar erkennen, dass die Maximierung des Shareholder-Value zunehmend zur Minimierung des öffentlichen Wohls führt.

Der Text erschien zuerst im kanadischen E-Journal The Bullet (764), www.socialistproject.ca. Aus dem Englischen von Daniel Fastner und Catharina Schmalstieg.

[1] CAMI: Canadian Automotive Manufacturing Inc. 1986 als eigenständiges Joint Venture zusammen mit Suzuki gegründet, seit 2009 allein von GM Canada betrieben.

[2] investincanada.gc.ca/eng/industry-sectors/automotive.aspx

[3] www.nytimes.com/interactive/2012/12/01/us/government-incentives.html

[4] www.thedailybeast.com/articles/2012/10/19/how-romney-profited-from-the-auto-bailout.html

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