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Organizing als Ehrenamt. Die »Task Force Organizing« bei ver.di Stuttgart

Seit 2010 gibt es im ver.di Bezirk Stuttgart ein Organizing-Projekt, das in dieser Form einmalig ist: Ein Team von ver.di-Mitgliedern aus verschiedenen Fachbereichen unterstützt die Gewerkschaft durch ehrenamtliches Organizing. Unter der Betreuung und Anleitung eines Gewerkschaftssekretärs und eines Organizingberaters bilden die Ehrenamtlichen die Task Force Organizing (TFO). Sie besucht Betriebe und macht Erschließungsarbeit – derzeit regelmäßig beim Lebensmitteldiscounter Netto. Die Gewerkschaft hat in den Betrieben ein neues Gesicht erhalten, sie kann den VerkäuferInnen eine intensive Betreuung bieten, und zugleich wurde die mitgliederorientierte Organisationsgestaltung gestärkt. 
Seit über drei Monaten streiken die Beschäftigten der Firma Neupack in Hamburg und Rotenburg (Niedersachsen).1  Noch ist dies nicht der längste Arbeitskampf in der bundesdeutschen Geschichte – die Kämpfe um den Erhalt eines Zementwerkes in Erwitte/Westfalen hielten 1975/76 über ein Jahr an –, aber die Aktion hat dennoch gute Chancen, in die Streikgeschichte einzugehen. Die Firma, die Verpackungen für die Lebensmittelindustrie herstellt, regiert ihre Beschäftigten nach Gutsherrenart.
Die christlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas sind die größten Anbieter im Sozial- und Gesundheitsdienst in Deutschland. Bundesweit gibt es Tausende rechtlich selbständige kirchliche Einrichtungen mit etwa einer Million Beschäftigten. Ihre Arbeit finanziert sich zu 95 Prozent aus Mitteln der öffentlichen Hand, den Sozial- und Pflegekassen. Im eigentlichen Kernbereich der Kirchen, dem so genannten Verkündigungssektor, der über Kirchensteuern, aber auch über staatliche Zuwendungen finanziert wird, arbeiten weitere 300000 Menschen (vgl. Frerk 2010).
Seit einigen Jahren kommt es an Universitäten in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens regelmäßig zu Protesten. Erstmals seit Ende der Kriege lassen sich hier Ansätze einer neuen, transnationalen Linken beobachten. Wie haben sich die Proteste entwickelt? Der Bologna-Prozess hat seit 2005 die Kommerzialisierung von Bildung in der Region massiv beschleunigt. Diese Veränderungen im Bildungssystem verliefen so rapide und drastisch, dass es nahe lag, sich dagegen zu wehren.

Rein-Raus. Flexibel streiken

Arbeitskämpfe werden in Deutschland zunehmend ›spektakulär‹ und öffentlichkeitswirksam geführt, auch die Formen des Streiks haben sich gewandelt. Ein ›Tapezierstreik‹, bei dem die Beschäftigten einfach zu Hause bleiben, wenn gestreikt wird, reicht nicht mehr aus. Tarifauseinandersetzungen wurden in den vergangenen Jahren härter geführt, Arbeitskämpfe dauerten länger. Das Spektrum reicht von Lokführerstreiks (2008) über Streiks der GebäudereinigerInnen (2009) und der ErzieherInnen (2009) bis hin zu den Streiks der FlugbegleiterInnen (2012) und der Flughafensicherung (2012).
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Wem gehört die Zeit?

Als aktive Gewerkschafterin habe ich die Erfahrung gemacht, dass Sehnsucht in Kämpfen – insbesondere in Kämpfen um Zeit – eine zentrale Rolle spielt. Sehnsucht nach einer anderen Zeiteinteilung, -verteilung und -umverteilung ist ein wichtiger und treibender Motor. Sehnsucht nach einer anderen, nicht fremdbestimmten und gleichberechtigten Gesellschaft, einer ›gerechten‹ Verteilung der Zeit ist Voraussetzung für mutige und beharrliche Kämpfe um Zeit.

Gewerkschaften suchen Auswege aus der Globalisierungsfalle, aus internationaler Konkurrenz und Lohndumping. Was getan werden müsste, ist schnell umrissen: effektive internationale Strategien entwickeln, sich aus den Beschränkungen der Tarifkämpfe lösen und Gegenmacht entwickeln auf den zentralen Feldern neoliberaler Angriffe: Privatisierung, Kürzungspolitik und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen. Politische Bündnisse müssten geschmiedet werden, die über den betrieblichen Rahmen hinausweisen und gewerkschaftliche Kämpfe nicht auf Erwerbsarbeit beschränken: Arbeitsverdichtung, Zeitstress, Rente, Gesundheit – hier gilt es, die Macht zur Regulierung zurückzugewinnen. Doch das politische Alltagsgeschäft ist kompliziert, die Bedingungen sehr unterschiedlich, ungleich eingebunden im Krisenkorporatismus driften die Interessen auseinander – zwischen Exportindustrien und sozialen Dienstleistungsbereichen, Kernbelegschaften und Prekären. Insbesondere die Gewerkschaften in den Exportindustrien sind zerrissen zwischen ihrer Kritik an neoliberaler Kürzungspolitik und den Vorteilen, die die Einbindung in deutsches Krisenmanagement auf Kosten anderer schafft.

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»Eine Revolution braucht Organisationsstrukturen«

Chema Ruíz war lange Jahre aktiv im politischen Rat der Vereinigten Linken Spaniens (Izquierda Unida, IU). Heute ist er Mitglied der Kommunistischen Partei und Mitbegründer der Plataforma de los Afectadas por la Hipoteca (PAH) – eines Netzwerks zur Unterstützung von Menschen, die wegen Hypothekenschulden von Zwangsräumung bedroht sind. Gemeinsam kämpfen sie für ein Recht auf Wohnen. Videointerview (Spanisch)