Kurz nach ihrem Amtsantritt hat die Trump-Regierung einen Feldzug gegen die besten amerikanischen Universitäten und das Wissenschaftssystem insgesamt gestartet. Im März und April sperrte sie mehreren Spitzenuniversitäten die Bundesmittel, im Wesentlichen die Finanzierung von Forschungsprojekten durch die bundesweiten Forschungsförderinstitutionen und einzelne Bundesministerien[1]. Die bekanntesten Fälle betreffen Harvard und Columbia. Bei Harvard geht es um mehrere Milliarden US-Dollar; bei Columbia unmittelbar um 400 Mio. US-Dollar, aber auch dort beläuft sich die Erpressungssumme auf insgesamt über 1 Mrd. Dollar. Von den Mittelsperren ebenfalls betroffen sind Princeton, die University of Pennsylvania (»Penn«), Cornell, Duke, Northwestern und Brown. Alle diese Universitäten sind privat. Die meisten werden zu den besten 50 der Welt gezählt. Anfang August kam auch die erste führende öffentliche Universität (UCLA) mit gleich 1 Mrd. Dollar auf die Kürzungsliste.
Es wurden auch weitere Daumenschrauben angesetzt: Harvard zum Beispiel soll keine ausländische Studierenden mehr haben dürfen (das hat ein Richter zunächst gestoppt). Wie bei den meisten Spitzenuniversitäten liegt der Ausländeranteil bei rund einem Viertel – und ein mindestens entsprechender Anteil der Gebühreneinnahmen stammt von Ausländern.
Das Bildungsministerium forderte die für Columbia zuständige regionale Akkreditierungsagentur auf, der Universität die Akkreditierung zu entziehen. An dieser hängt die staatliche Ausbildungsförderung mit Stipendien und Darlehen, ohne die wiederum keine größere Universität existieren kann. Ende April verkündete Trump per Erlass eine übergreifende »Reform« des Akkreditierungssystems, sowohl um bestehende Universitäten und Akkreditierungsagenturen besser schikanieren zu können, als auch um neue profitorientierte Hochschulen mit neuen Agenturen und geringeren Standards einfacher und schneller auf den Markt zu bringen.
Vorwände im Kampf gegen die Universitäten
Die Regierung wirft den Universitäten im Wesentlichen dreierlei vor: Sie hätten gezielt Frauen, Minderheiten und Menschen mit Beeinträchtigungen gefördert, was ein Verstoß gegen die »Bürgerrechte« von weißen heterosexuellen Männern sei. Sie hätten – vor allem im Zusammenhang mit dem Krieg zwischen der Hamas und Israel – jüdische Studierende zu wenig vor antisemitischen Belästigungen geschützt. Und schließlich, wie im Fall der Penn, die Zulassung von Transfrauen zu Sportwettbewerben für Frauen.
Soweit die Vorwürfe, oder besser gesagt: Vorwände. Die angebliche Bevorzugung von schwarzen Bewerber*innen hat etwa an der Columbia-Universität dazu geführt, dass zur Zeit nicht einmal 8,6 Prozent der einheimischen Studierenden schwarz sind (bei einem Bevölkerungsanteil von 13 Prozent), dagegen 37 Prozent weiß und 22 Prozent asiatischer Herkunft. Es ist leider wahr, dass nach einer campusweiten Befragung eine Mehrheit der jüdischen (wie auch der muslimischen) Studierenden sich mit ihren religiösen Identitäten in der Universität nicht akzeptiert fühlt. Die meisten jüdischen (87 Prozent) – und auch die meisten muslimischen (82 Prozent) Studierenden – haben Angst, ihre Meinung zu dem Konflikt um Gaza zu äußern (Student Belonging and Exclusion Survey Report 3, Juni 2025). Aber gegen antisemitische Diskriminierungen können die Universitäten ohne Einmischung der Regierung vorgehen und tun das auch. Schließlich: Die University of Pennsylvania hat vor mehreren Jahren eine Transfrau zu landesweiten Wettbewerben aufgestellt.
Die reichsten und mächtigsten Unis im Fokus
Wahrscheinlich, um Exempel für das ganze Wissenschaftssystem zu statuieren, ist der Feldzug der Regierung auf sehr prominente – und durch ihre Stiftungsvermögen sehr reiche – Universitäten fokussiert. Harvard ist mit einem Vermögen von 53 Mrd. Dollar die reichste Universität der Welt – und hat daher gegen die Erpressung durch die Regierung die relativ stärkste wirtschaftliche Widerstandskraft (Barney 2025, 14f).[2]
Columbia hat »nur« knapp 15 Mrd. Dollar, Penn 22 Mrd. Dollar – und beide sind im Juli zu Kreuze gekrochen. Um wieder Forschungsmittel des Bundes zu kriegen, zahlt Columbia 221 Mio. Dollar Buße und lässt ihre Zulassungspolitik auf verbotene Chancengerechtigkeit kontrollieren. Die in den USA üblichen Schreiben, in denen die Bewerber*innen ihre Motivation und Biografie – und damit auch die sozialen Bedingungen, unter denen oder trotz derer sie ihren Schulabschuss erworben haben – darlegen, dürfen ausdrücklich nicht verwendet werden, um etwas schlechtere Noten oder Testergebnisse zu relativieren. Die Regionalstudien (unter anderem zum Nahen Osten) werden unter die Sonderaufsicht eines Mitglieds der Hochschulleitung gestellt.
Im Herbst haben auch einige weitere Unis Zugeständnisse vor allem in der Zulassungspolitik gemacht und (geringere) »Bußen« gezahlt. Harvard, Princeton, UCLA und einige weitere Hochschulen halten vorerst weiter stand – und einige untere Gerichte haben vorerst für sie entschieden. Allerdings wird seit Monaten kolportiert, mit Harvard würde über einen »Deal« von 500 Mio. Dollar verhandelt.
Parallel hat die Regierung im Herbst einen »Pakt für Akademische Exzellenz« vorgeschlagen. Willige Hochschulen sollen für die Unterwerfung unter die »Prioritäten des Präsidenten« Bundesmittel erhalten. Zu den Bedingungen gehört mehr Raum für konservative Positionen in Lehre und Forschung, weniger ausländische Studierende (maximal 15 Prozent) und keinerlei Förderung für benachteiligte Gruppen. Der Text ist zum Teil wörtlich einem Papier des Milliardärs Mark Rowan entnommen, dem unter anderem die profitorientierte University of Phoenix gehört. Natürlich, so die Bildungsministerin im Deckschreiben, »sind Hochschulen frei, andere Modelle und Werte als [in dem Pakt beschrieben] zu entwickeln, wenn sie sich entscheiden, auf Bundeszuwendungen zu verzichten«. Das kann sich keine Hochschule leisten. Trotzdem haben die meisten zunächst angeschriebenen Spitzenunis erstmal abgewinkt.
Drastische Kürzung der Wissenschaftsausgaben
Parallel zur Disziplinierung von Universitäten laufen drastische Kürzungen der öffentlichen Forschungsbudgets. Sie könnten das Wissenschaftssystem mindestens genauso dramatisch verändern und beschädigen. Nach den Vorstellungen der Regierung soll in dem bevorstehenden Haushaltsjahr 2025/26 das Budget der National Institutes of Health (NIH), der weltweit größten Organisation der Gesundheitsforschung, um 42 Prozent gekürzt werden (University World News, 18.7.2025). Die NIH unterhalten eigene Forschungsinstitute mit insgesamt 6 000 Wissenschaftler*innen und fördern mit 82 Prozent ihres Budgets Projekte an anderen Forschungseinrichtungen, vor allem Universitäten, an denen rund 300 000 Beschäftigte beteiligt sind. Die geplante Kürzung würde 18 Mrd. Dollar betragen. Zum Vergleich: Dies übersteigt das Gesamtbudget der außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Deutschland (2023: 13,8 Mrd. Euro).
Das Budget der National Science Foundation (NSF), die Forschungsprojekte in den anderen Natur- und in den Sozialwissenschaften fördert, soll von 9,3 Mrd. US-Dollar (2024) auf 4,1 Mrd. US-Dollar (2026) gekürzt werden, also um mehr als die Hälfte. Absolut und relativ am meisten betroffen sind unter anderem die Biowissenschaften, die Ingenieurwissenschaften und die Bildung in MINT-Fächern (dazu gehören die Lehrerbildung und Stipendien für Studierende, Doktoranden und Postdocs). Absolut die größte Kürzung entfällt mit über 1 Mrd. US-Dollar auf Mathematik und Physik (minus 67 Prozent) (FY 2026 Budget Request to Congress).
Insgesamt sollen die Bundesausgaben für Forschung von 97 auf 62 Mrd. US-Dollar gekürzt werden, also um mehr als ein Drittel. Es ist allerdings noch offen, ob diese Zahlen vom Kongress bestätigt werden; der zuständige Unterausschuss des Senats hat sich dagegen ausgesprochen.
Noch nie in den letzten Jahrzehnten hat es in einem entwickelten kapitalistischen Land einen solchen Frontalangriff auf das Wissenschaftssystem gegeben. Dabei handelt es sich neben Informationstechnik, Kulturindustrie und Militär um einen der wenigen Sektoren, in denen die USA international konkurrenzfähig und sogar führend sind.[3] Die USA ziehen bisher die meisten international mobilen Studierenden und Wissenschaftler*innen an – und profitieren davon: Fast die Hälfte der Doktorand*innen kommen aus dem Ausland, in Natur- und Ingenieurwissenschaften sogar beinahe 80 Prozent, und mehr als die Hälfte der ausländischen Promovierten bleibt im Land.
Grundsätzliche Wissenschaftsfeindlichkeit
Warum will das Trump-Regime die US-Hochschulen und das Wissenschaftssystem insgesamt gezielt beschädigen. Ist das Weiße Haus womöglich von einer fremden Macht (Russland, China, der EU?) gekapert worden?
Einiges spricht dafür, dass dem Vorgehen der Regierung eine grundsätzlich wissenschaftsfeindliche Haltung zugrunde liegt. So bestreiten Trump und seine Anhänger*innen schon seit Jahren, dass es einen Klimawandel überhaupt gibt. Der neue Chef der Umweltschutzbehörde hat die Aufhebung der amtlichen Feststellung angekündigt, dass Treibhausgase die öffentliche Gesundheit gefährden (New York Times, 29.7.2025). An dieser 2009 getroffenen Feststellung wiederum hängen rechtlich die Begrenzungen der Emissionen von Autos, Kraftwerken und anderen Industrieanlagen. Da können weitere wissenschaftliche Belege, wie der Klimawandel voranschreitet, und Erkenntnisse, was ihm zugrunde liegt, nur stören. Der amtierende Gesundheitsminister Kennedy führt seit Jahren, gegen jede medizinische Erkenntnis, einen Feldzug gegen das Impfen.
Aber: Die Kürzungen der Forschungsmittel betreffen hauptsächlich wissenschaftliche Projekte, Theorien und Institutionen, die mit politisch »umstrittenen« Themen überhaupt nichts zu tun haben: Krebsforschung, Mathematik, Physik, Biowissenschaften. Forschungsfelder also, von deren Innovationen Leben und Gesundheit der Amerikaner*innen und die künftige Entwicklung von Produktivkräften und Wettbewerbsfähigkeit der USA maßgeblich abhängen. Von Kürzungen in diesen Bereichen war übrigens in Project 2025, dem reaktionären Fahrplan für die zweite Trump-Regierung, nicht die Rede.
Zum Teil könnte es sich um eine Übersprungshandlung eines Regimes handeln, dessen wissenschaftsfeindliche Ideologie (und die Ressentiments seiner Anhänger*innen) staatlich geförderte Erkenntnis selbst dann ersticken will, wenn sie mittel- und langfristig für die Entwicklung des US-Kapitalismus unentbehrlich ist. Also ein Beispiel für die Verselbstständigung des Staatsapparats auch gegenüber großen Teilen der wirtschaftlich herrschenden Klasse (wenn auch noch nie so viel Milliardäre einer Regierung persönlich angehört haben). Das wäre ein Beleg für die Interpretation des Regimes als bonapartistisch, im Anschluss an Marx’ Analyse des zweiten französischen Kaiserreichs im »18. Brumaire des Louis Bonaparte« (MEW Bd. 8; vgl. auch Solty 2018, 74ff).
Privatisierung
Zum anderen Teil scheint die Trump-Regierung eine Teilprivatisierung des Wissenschaftssystems zu betreiben, also die Verlagerung staatlich geförderter Forschung und Entwicklung aus Universitäten und unabhängigen Forschungsinstituten in Unternehmen. Am selben Tag, an dem der »Deal« mit der Columbia-Universität bekannt wurde, stellte Trump selbst einen »KI-Aktionsplan« vor (NYT, 23.7.2025). Die weitere Entwicklung der künstlichen Intelligenz soll von jeder ernsthaften Regulierung »befreit« und zugleich mit Milliardensubventionen gefördert werden. Eine Reduzierung des Universitätsanteils an der Forschung zugunsten der unter direkter Kontrolle von Einzelkapitalen betriebenen würde nicht nur zu einer Abwälzung von Entwicklungsausgaben an die öffentliche Hand führen, sondern auch zu einer Orientierung der Forschungsrichtungen an kurzfristigen Verwertungsinteressen. Damit wäre der Weg zu neuen, nicht vorhersehbaren, aber potenziell profitträchtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen erschweren.
Die Privatisierung betrifft auch die Lehre: Bisher studieren nur knapp 6 Prozent der Studierenden an gewinnorientierten Universitäten[4], aber der Anteil hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt. Die Änderung der Akkreditierungsverfahren wird voraussichtlich zu niedrigeren Standard-Anforderungen und höheren Profiten führen.
Der Kampf um DIE – Interessen von Klassen und Klassenfraktionen
Das Vorgehen gegen die Spitzenuniversitäten könnte eine oder mehrere dieser Institutionen zerstören. Aber nicht die Zerstörung, sondern die Unterwerfung der Universitäten ist wohl das eigentliche Ziel. Der Angriff richtet sich in erster Linie gegen die Theorie und Praxis der Erschließung von zusätzlichem intellektuellem Potenzial durch mehr Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (Diversity, Equity, Inclusion – DIE).
Theoretisch richtet er sich gegen die kritische Analyse der Benachteiligung von Frauen, ethnischen und sexuellen Minderheiten (von der Klassenherrschaft ist im poststrukturalistischen Mainstream ja ohnehin kaum die Rede). Und praktisch gegen eine Ausbildung der künftigen Akademiker*innen für Arbeitsumgebungen, in denen Kreativität und Erfolg maßgeblich von Vielfalt abhängen. Ein solches Arbeitsumfeld – und die Eignung dafür – ist vor allem im Interesse der technologisch fortgeschrittensten Kapitalfraktionen, namentlich in der Informationstechnologie, Biotechnologie und Plattformökonomie. Die technisch-wissenschaftlichen Ökosysteme, die sich zum Beispiel im Silicon Valley oder um Boston in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, hängen elementar von der Diversität eines weltweit und herkunftsübergreifend rekrutierten Personals und dessen produktiver Zusammenarbeit ab.
In einem entsprechenden Spannungsverhältnis stehen die Tech-Konzerne zu Trump und seinem MAGA-Regime. Die Tech-Bosse, wie auch die Manager der Kultur- und Medienindustrie, hatten in der Vergangenheit ganz überwiegend die Demokratische Partei unterstützt. Einige haben sich schon vor der letzten Wahl dem MAGA-Lager angeschlossen, andere sich Trump nach der Wahl an den Hals geworfen, ob nun aus Opportunismus oder aus neuer Überzeugung. Im Kern des soziopolitischen Blocks, den die Demokratische Partei in den letzten Jahren gebildet hatte, standen große Teile der technologisch fortgeschrittenen Kapitalfraktionen gut ausgebildete und gut bezahlte Menschen.[5] Trump hat dagegen hauptsächlich die fossile Energiewirtschaft, traditionelle Industrien, andere Immobilienhaie und in letzter Zeit auch einen Teil der Tech-Branche, die von Deregulierung, Subventionen und Steuersenkungen profitieren will, hinter und um sich versammelt – und als Wähler*innen eine Mehrheit der schlechter ausgebildeten und weniger verdienenden weißen Männer.[6]
Zugleich sollen die Universitäten gezwungen werden, gesellschaftskritische wissenschaftliche Ansätze und politisch aufbegehrende Studierende zu unterdrücken. Der Widerstand dagegen wird politisch dadurch kompliziert, dass ausgerechnet israelfeindliche, gelegentlich unverhohlen antisemitische Positionen zum Brennpunkt der Auseinandersetzung um die akademische und Meinungsfreiheit geworden sind.
So und so ist offensichtlich, dass die Trump-Regierung den Kampf um und gegen die Wissenschaft und die Universitäten als Teil des »Kulturkampfes« zur Wiederherstellung der männlichen und weißen Hegemonie begreift und führt. Dabei werden Institutionen und Prozesse geschwächt, die wir bisher als zentral für die bürgerliche Gesellschaft und die Entwicklung der Produktivkräfte unter dem Kapital begriffen haben. Die spannende Frage ist – theoretisch wie politisch –, ob es sich hier um eine Verselbstständigung der populistischen Ideologie handelt – oder doch um eine grundlegende Neuausrichtung des bürgerlichen Umgangs mit der Produktion und Weitergabe von Wissen.
