ÜBER DAS GEMEINSAME, UNIVERSALITÄT UND KOMMUNISMUS

Ein Gespräch zwischen Étienne Balibar und Antonio Negri, Auszüge [caption id="attachment_1272" align="alignleft" width="235" caption="JR-Art on Manette Street (Foyles), flickr/Nick J Webb"][/caption] In unterschiedlichen Traditionen linker Philosophie und Gesellschaftsanalyse wird in letzter Zeit um einen Begriff von Kommunismus im Sinne von commune-ism gerungen. Die Frage nach Kommunismus strukturiert auch dieses Gespräch: Wie lässt er sich denken, jenseits von essenzialistischen Konzepten und solchen, die historische Notwendigkeiten von Formationenabfolge postulieren? In der Tradition von Postoperaismus und Althusser etwa wird auf die selben Namen Bezug genommen: Marx’ Kritik der politischen Ökonomie, Spinozas Ontologie und eine Kritik am hegelianischen Historizismus. Gleichwohl unterscheiden sie sich hinsichtlich ihrer Vorstellungen von commune-ism. Wir wollen Gemeinsamkeiten und produktive Divergenzen beider Traditionen untersuchen.
von Michael Edwards [caption id="attachment_1242" align="alignleft" width="266"] Foto: Daniel Lobo, flickr/Daquella manera[/caption] London hat eine lange Geschichte von Bürgerinitiativen und lokalen Mobilisierungen, die im politischen Leben der Stadt eine aktive Rolle gespielt und manchmal ihre Entwicklung entscheidend beeinflusst haben. Der St. Pancras Mietstreik von 1960 (Burn 1972), die Kampagne »Rettet Covent Garden« in den 1970ern (Franks 1996) und Tolmers Square (Wates 1976) gehören zu den bekanntesten Kämpfen um Stadtplanung. Diese Niederlagen der von Erschließungsunternehmen getriebenen Umstrukturierungen heruntergewirtschafteter Viertel führten zu einem Abwägen zwischen verschiedenen sozialen Bedürfnissen und dem Druck der Wirtschaft. Die Kampagnen waren allerdings lokal – mit Ausnahme von »Wohnungen statt Straßen« (homes before roads), die sich gegen den Entwurf des Entwicklungsplanes für Greater London richtete, und dem Widerstand gegen die London Docklands Development Corporation unter Thatcher.
Neoliberale Politik hat tiefe Spuren in den Städten und Gemeinden hinterlassen: Öffentliches Eigentum, demokratische Verwaltung, die Gleichheit der Lebensverhältnisse, der Begriff des Gemeinsamen – seien es Interessen, Eigentum, Praktiken oder Handeln – wurden diskreditiert. Markt, Konkurrenz, Leistung, Wettbewerbsfähigkeit, Ungleichheit wurden mit Mitteln der Angst wie des ökonomischen Erfolgs zur maßgeblichen Orientierung. Abwandernde oder überlebte Industrien hinterließen Brachen in den Städten, der Boom von Informationstechnologien und Finanzspekulation hat die Innenstädte und »Kieze« umgepflügt.
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Bäume in Stuttgart und anderswo

Die Rohheit, mit der am Schwarzen Donnerstag die Staatsgewalt im Stuttgarter Schlosspark Menschen beiseite schaffte, um die ersten Bäume fällen zu können, war vor allem symbolpolitisch sinnvoll: Gegen die Demonstration der parkschützenden Menge wurde die Demonstration des unbedingten politischen Willens zum Einstieg in das fabelhafte Immobilienprojekt Stuttgart21 gesetzt. Offensichtlich bündeln sich im S21-Konflikt zahlreiche Ohnmachtserfahrungen, es geht um Demokratie. Es scheint aber auch eine andere Frage auf: die nach dem Eigentum.
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SOLIDARITÄT UND COMMONS

Konzept und Wirklichkeit von Solidarität gehören zu den wertvollsten »Quellen der Hoffnung«, die im langen Kampf in der und gegen die kapitalistische Modernisierung entwickelt worden sind. Verstanden als eine in den täglichen Kämpfen erfahrene und gelebte Wirklichkeit, hat der Ruf nach Solidarität zumindest für manche die Stärke eines kategorischen Imperativs, einer unmittelbaren Übereinstimmung von Mitteln und Zweck. Solidarität ist niemals unmittelbar oder tatsächlich gegeben, sondern entsteht mühsam und absichtsvoll als Antwort auf konkrete Probleme und Kämpfe.
In unterschiedlichen Traditionen linker Philosophie und Gesellschaftsanalyse wird in letzter Zeit um einen Begriff von Kommunismus im Sinne von commune-ism gerungen. Die Frage nach Kommunismus strukturiert auch dieses Gespräch: Wie lässt er sich denken, jenseits von essenzialistischen Konzepten und solchen, die historische Notwendigkeiten von Formationenabfolge postulieren? In der Tradition von Postoperaismus und Althusser etwa wird auf die selben Namen Bezug genommen: Marx’ Kritik der politischen Ökonomie, Spinozas Ontologie und eine Kritik am hegelianischen Historizismus.
»Gerecht geht anders!« – unter diesem Motto führt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegenwärtig bundesweit Aktionswochen gegen die soziale Schieflage der Politik durch.1 Auch andere Gewerkschaften und Bündnispartner werben wie ver.di für einen Kurswechsel – für Alternativen zu sozialem Kahlschlag, zur Rente mit 67, zu Kopfpauschale und Klassenmedizin. Ein Schwerpunkt der ver.di-Kampagne ist die desaströse Finanzsituation der Kommunen, sind »Städte und Gemeinden in Not«.
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EIN BISSCHEN STEUERN, KEINESFALLS BESTIMMEN

September 2010, Anton-Saefkow-Platz. Tag der Votierung zum Bürgerhaushalt: »Warum könn’ se nich wenichstns een Punkt für sichere Schulwege abgeben?«, rief die junge Frau und stemmte ihre Arme in die Hüften. Die angesprochene Siebzigjährige hatte gerade all ihre Punkte für die Neuanpflanzung von Bäumen eingesetzt. »Vielleicht, weil das nicht mein Problem ist?« »Und für die Seniornstätte? Sie sind doch selber alt!« »Eben«, lächelte die Alte und wich der Jungen behände aus.

Der Gebrauchsanleitungs-Kapitalismus

von Sabine Nuss Reformen sind nur sinnvoll, wenn sie mit einer emanzipatorischen Perspektive verbunden werden, das heißt, langfristig mit der Aufhebung einer Produktion für Profit und in Konkurrenz, auf Kosten von Mensch und Natur. Dazu bräuchte es eine radikale Demokratisierung und Änderung der Eigentumsverhältnisse und da reicht es nicht, an einen abstrakt politischen Willen zu appellieren. Vielmehr muss in den konkreten Kräfteverhältnissen und Kämpfen für die Selbstermächtigung von »unten« gestritten werden.