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Wege in und aus der Schuldenfalle

Die europäischen Eliten haben in ihrer ­Reaktion auf die Krise bislang dafür Sorge getragen, dass sich die privaten Verluste in einem überschaubaren Rahmen hielten. Die Furcht von Privatgläubigern vor größeren Zahlungsausfällen im Euroraum konnten sie mit ihrem zögerlichen Agieren, das weitgehend in nationalstaatlichen Lösungsansätzen steckenblieb, jedoch nicht gänzlich zerstreuen. Es musste erst die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Plan treten und ihre Bereitschaft zu weitreichenden Interventionen verkünden, damit auf den europäischen Finanzmärkten eine gewisse Beruhigung einkehrte. Diesen erheblichen Einfluss auf die wirtschaftspolitische Architektur Europas verdankt die EZB vor allem zwei Faktoren: Zum einen steht sie an der Spitze der Geldpyramide, zum anderen ist sie eine der am stärksten zentralisierten Institutionen in Europa und somit zu schnellen Entscheidungen fähig. Die Zentralbank verschaffte mit ihrer Initiative den anderen Akteuren der Wirtschaftspolitik allerdings nur eine Art Verschnaufpause. Die großen Herausforderungen bleiben bestehen.
Hier in Athen[1] über das Schicksal der heutigen Demokratie nachzudenken, ist irgendwie verunsichernd, weil es dazu zwingt, das Ende der Demokratie an dem Ort zu begreifen, an dem sie entstand. Tatsächlich möchte ich die Hypothese vorbringen, dass das Regierungsmodell, das heute in Europa vorherrscht, nicht nur undemokratisch ist – man kann es auch nicht als politisch betrachten. Ich will deshalb versuchen zu zeigen, dass die europäische Gesellschaft heute keine politische Gesellschaft mehr ist. Sie ist etwas ganz Neues – etwas, wofür uns die richtigen Begriffe fehlen und wofür wir deshalb eine neue Strategie zu entwickeln haben.
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Last exit griechenland? Mit Syriza raus aus der Krise

Viele werfen der Allianz der Radikalen Linken (SYRIZA) in Griechenland vor, dass ihr Regierungsprogramm nicht radikal genug sei. Vergleicht man es etwa mit dem von François Mitterrand Anfang der 1980er Jahre, erscheinen die Forderungen von SYRIZA tatsächlich gemäßigt, denn vieles davon orientiert auf Sozialstandards, die im Verlauf der Krise erst zerstört wurden: Die Tarifautonomie soll wiederhergestellt und der Mindestlohn auf das Niveau von 2009 angehoben werden. Eine Reihe von Sofortmaßnahmen soll helfen, die größte Not in Griechenland zu lindern. Es geht um einen Zugang aller zu medizinischer Versorgung (jedeR Vierte ist ohne Krankenversicherung und hat nur im äußersten Notfall Zugang zu medizinischer Versorgung), die Nutzung staatlicher und kirchlicher Immobilien, um die Wohnungsnot abzufedern, und um Regelungen zur Tilgung von Bank- und Steuerschulden für niedrige Einkommensschichten sowie für kleine und mittlere Unternehmen. Vieles davon liegt schon als Gesetzentwurf vor – mit Finanzierungsberechnung.
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Warum Populismus

Der Populismusbegriff hatte in der wissenschaftlichen und politischen Literatur lange einen negativen Klang. Er wurde mit politischen Bewegungen verbunden, die große Bevölkerungsteile auf unstrukturierte Volksmassen reduzierten und aller Prinzipien rationalen Handelns beraubten. In diesen, heißt es, haben alle Formen der Demagogie freie Bahn. Nicht nur in konservativen Kreisen, sondern auch unter Linken ist diese Sicht verbreitet. So steht zum Beispiel im Marxismus die Rationalität der Klasse (der Klasseninteressen) im Gegensatz zum Begriff der Massen, die schnell als »Lumpenproletariat« abgetan werden.
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»Wir sind der Zement der Barrikaden«

Sırrı, du hast bei den Kommunalwahlen für die kürzlich gegründete Demokratische Partei der Völker (HDP) kandidiert, die aus dem Demokratischen Kongress der Völker (HDK) hervorgegangen ist. Schon wieder eine neue linke Partei? Die Geschichte der Linken in der Türkei ist auch eine Geschichte gescheiterter Bündnisse. Es gab Hunderte von Spaltungen, oft unabhängig von realen Konflikten. Diese wurden außerdem verstärkt – Agent Provocateurs spielten dabei eine große Rolle. Nachdem der Militärputsch von 1980 wie eine Walze über uns hinweggerollt war, begriffen wir endlich, dass die Zersplitterung uns teuer zu stehen kommt.
Banken sind profitorientiert wie andere Unternehmen auch. Besonders ist nur, dass sie als Kreditgeber und -nehmer Beziehungen mit Unternehmen aller Branchen haben. Vor allem Großbanken gelten als ›systemrelevant‹, da deren Zusammenbruch Kettenreaktionen im gesellschaftlichen Geldkreislauf auslösen kann. Neben dem normalen Unternehmensrecht existiert deshalb ein besonderes Bankenrecht. Die Behörden, die dieses durchsetzen sollen, sind unverzichtbarer Teil der Regulation kapitalistischer Wirtschaft. Sie sorgen nicht nur für die Reproduktion des Bankgeschäfts, sondern fördern indirekt gleichzeitig die Produktion neuer Finanzprodukte.
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Neugründung Europas? Strategische Orientierungen

Europa ist mehr als die Europäische Union und die EU mehr als ihre neoliberale und zunehmend undemokratisch-autoritäre Gestalt. Doch ist Letztere die gegenwärtig existierende. Simple Bekenntnisse zu Europa oder gar ›mehr Europa‹ verfehlen den zu Recht skeptischen Alltagsverstand. Immer wieder wurde die europäische Ebene als Hebel genutzt, um Sozial- und Arbeitsrechte auszuhöhlen sowie Kapital- und Marktlogik zu stärken – und zwar nicht erst seit der Krise 2008, sondern spätestens seit dem Mitte der 1980er Jahre forcierten Projekt des europäischen Binnenmarktes.
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Soziales Europa? Demontage ff.

Die Politik der sozialen Phrase hat Tradition in der EU. Schon in der im Jahr 2000 von den europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossenen Lissabon-Strategie wurde behauptet, »Vollbeschäftigung« und »deutliche Fortschritte bei der Überwindung von Armut und sozialer Ausgrenzung« seien zentrale Ziele der EU. Ein Dutzend Jahre später resümierte die EU-Kommission selbstgefällig: »Durch ihre Maßnahmen trägt die Europäische Union zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur Verbesserung der Qualität der Beschäftigung bei.«
Man kann heute einem amerikanischen Politiker nichts Schlimmeres nachsagen, als ein »Redistributionist« zu sein. Und doch steht das Jahr 2013 für eine der größten Umverteilungen in der neueren Geschichte der Vereinigten Staaten. Es war eine Umverteilung von unten nach oben, von den arbeitenden Menschen hin zu denen, die Amerika besitzen. Die Aktienkurse befanden sich Ende 2013 auf einem Allzeithoch – was den Anlegern den höchsten Jahresgewinn seit fast zwei Jahrzehnten bescherte. Die meisten Amerikaner hatten allerdings nichts davon, weil sie keine Rücklagen bilden konnten, um ihr Geld anzulegen. Mehr als zwei Drittel der US-BürgerInnen hangeln sich von Zahltag zu Zahltag.